Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren nach § 7a SGB IV sowie Betriebsprüfungen nach §§ 28p und 28q SGB IV (BA)

 

Leitsatz (amtlich)

Nach der Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt vom 14. Februar 2008 und dem Erlass des VerbGemG LSA werden in Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden die Aufgaben der Gemeindeverwaltung ausschließlich von der Verbandsgemeindeverwaltung erledigt und die dem Bürgermeister nach den §§ 62, 63 GO LSA zugewiesenen Aufgaben sind dem Verbandsgemeindebürgermeister übertragen worden. Die aufgrund dieser gesetzlichen Grundlagen beschlossene Hauptsatzung gestaltet das Bürgermeisteramt als ehrenamtliche Tätigkeit aus, für die anknüpfend an die Einwohnerzahl der jeweiligen Mitgliedsgemeinde eine pauschale Aufwandsentschädigung gewährt wird. Aufgrund der Höhe und der übrigen Umstände des Einzelfalls ist von einem Überwiegen der ideellen Zwecke und der Unentgeltlichkeit auszugehen.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Halle vom 10.5.2023 - L 3 BA 9/21, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als ihrem ehrenamtlichen Bürgermeister im Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2013 Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 5.995,02 € nachzuentrichten hat.

Im Rahmen der Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt zum 1. Januar 2010 schlossen sich die Gemeinden G.., H.. und W.. (mit jeweils am 31. Dezember 2008 gemeldeten 304, 667 und 492 Einwohnern) der Klägerin an und diese schloss sich zudem mit den Gemeinden M1.., M2.., S1.. und W1.. sowie S2.. zur Verbandsgemeinde W2.. zusammen.

Der Beigeladene zu 1. war ausweislich der aktenkundigen Ernennungsurkunde der Klägerin vom 1. Juli 2004 bereits mit Wirkung vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2011 deren ehrenamtlicher Bürgermeister und ist sodann mit der Ernennungsurkunde vom 23. Juni 2011 mit Wirkung vom 1. Juli 2011 unter Berufung in das Ehrenbeamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von sieben Jahren zum Bürgermeister der Klägerin berufen worden.

Nach der Durchführung einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) am 11. November 2014 mit nachfolgender Schlussbesprechung am 14. November 2014 forderte die Beklagte bezogen auf den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.H.v. 5.995,02 € von der Klägerin (Bescheid vom 16. Dezember 2014). Sie - die Beklagte - habe die Versicherungspflicht des ehrenamtlich tätigen Bürgermeisters - des Beigeladenen zu 1. - im vorgenannten Zeitraum festgestellt. Ehrenamtliche Bürgermeister, die neben Repräsentationsaufgaben auch Verwaltungsaufgaben wahrnähmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhielten, seien regelmäßig Beschäftigte und unterlägen grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Versicherungsfreiheit bestehe für ehrenamtliche Bürgermeister in der Arbeitslosenversicherung. Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sei es schon ausreichend, wenn der ehrenamtliche Bürgermeister als Leitung der Verwaltung fungiere. Eine quantitative und qualitative Bewertung der Verwaltungsaufgaben sei nicht erforderlich (Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R -). Nach den Vorschriften in der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (GO LSA) zählten zu den Verwaltungsaufgaben eines ehrenamtlichen Bürgermeisters u.a die

Verantwortlichkeit für die verwaltungsmäßige Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse,

Unterrichtung des Gemeinderates über alle wichtigen die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten,

eigenverantwortliche Erledigung der Geschäfte der laufenden Verwaltung,

Verantwortlichkeit für sachgemäße Erledigung der Aufgaben und den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung, Regelung der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung,

Regelung aller durch Gesetz übertragenen hoheitlichen Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung in eigener Zuständigkeit,

Selbstständige Erledigung von Aufgaben, welche vom Gemeinderat übertragen wurden,

eigenverantwortliche Erledigung von Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises,

Erledigung von Personalangelegenheiten in eigener Verantwortung als Vorgesetzter/Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Beigeordneten, Beamten und Arbeitnehmer der Gemeinde, soweit dies zur laufenden Verwaltung gehöre oder durch Hauptsatzung dem Bürgermeister übertragen worden sei (§ 63 i.V.m. § 44 Abs. 4 GO LSA).

In der GO LSA sei geregelt, dass der ehrenamtliche Bürgermeist...

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