Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Entlassungsentschädigung nach § 1a KSchG. tarifvertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften. Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist. Nichtzulässigkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund

 

Orientierungssatz

1. Kann einem Arbeitnehmer (hier: bei den Stationierungsstreitkräften) auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung nur noch bei Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden, so führt auch die Entlassungsentschädigung, die auf Grundlage des § 1a KSchG gezahlt wurde, zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn die fiktive Kündigungsfrist des § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 nicht eingehalten worden ist.

2. Zur Nichtzulässigkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund iS des § 143a Abs 1 S 3 Nr 2 Alt 2 SGB 3.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.06.2012 - S 17 AL 159/11 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis 10.04.2011.

Der im Jahr 1951 geborene Kläger war vom 16.06.1980 bis 31.03.2011 als Elektroingenieur bei den Amerikanischen Streitkräften versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt arbeitete er im Hauptquartier in H bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Im Zeitraum von April 2010 bis März 2011 erhielt er einen Bruttolohn von 85.502,75 €. Das Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig mit Schreiben vom 08.07.2010, ausgehändigt am 12.07.2010, zum 31.03.2011, gekündigt. Im Kündigungsschreiben des Department of the Army (US Army Installation Management Command) wurde zur Begründung angeführt, dass es aufgrund von organisatorischen Umstrukturierungen zu unvermeidlichen Stellenstreichungen komme, wovon auch die vom Kläger zurzeit besetzte Planstelle betroffen sei. Das Arbeitsverhältnis werde aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt. Grundsätzlich sei der sachliche Anwendungsbereich des Tarifvertrags "SozSich/TASS" gegeben. Auf Antrag des Klägers werde die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD; Lohnstelle ausländische Streitkräfte) entscheiden, ob und ggf welche Leistungen dem Kläger gemäß dem TV SozSich zustehen. Daneben lägen die Voraussetzungen eines Abfindungsanspruchs nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor, da die Kündigung aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgt sei. Bei Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage könne der Kläger eine Abfindung iHv 15,5 Monatsverdiensten, insgesamt 102.112,00 € beanspruchen. Demgegenüber betrage der tarifliche Anspruch auf Abfindung gemäß § 7 SchutzTV zwei Monatsverdienste.

Der Kläger hat gegen die Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben und erhielt eine Abfindung iHv 102.112,00 €.

Am 13.07.2010 meldete sich der Kläger arbeitsuchend und am 21.03.2011 mit Wirkung zum 01.04.2011 arbeitslos. Er beantragte die Gewährung von Alg zum 01.04.2011.

Auf Anforderung der Beklagten erstellte die ADD als zuständige Personalstelle der ausländischen Streitkräfte eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mit Datum vom 23.03.2011. Die ADD bescheinigte hierin die Höhe der Abfindung und gab des Weiteren an, dass die ordentliche Kündigung (tarif-)vertraglich nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung zulässig gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund seien nicht erfüllt gewesen.

Mit Bescheid vom 08.04.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg für die Zeit vom 01.04. bis 12.07.2011 ab. Denn für diesen Zeitraum ruhe der Anspruch auf Gewährung von Alg wegen Zahlung der Entlassungsentschädigung iHv 102.112,00 € gemäß § 143a SGB III.

Der Kläger nahm am 11.04.2011 eine neue Beschäftigung auf.

Mit Bescheid vom 11.04.2011 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg gemäß § 117 SGB III ab 11.04.2011 auf, da der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen habe.

Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 08.04.2011 Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, dass es für das Ruhen des Anspruchs auf Alg keine Rechtsgrundlage gebe. Der Abfindungsanspruch sei ein gesetzlicher gemäß § 1a KSchG. Die Abfindungssumme übersteige das gesetzliche Maß nicht und sei nicht geeignet, einen Ruhenstatbestand zu schaffen.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die ADD mit Schreiben vom 01.06.2011 mit, dass bei dem Kläger der Tarifvertrag vom 16.12.1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) angewendet werde. Die Abfindungszahlungen seien im Tarifvertrag vom 02.07.1997 über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) geregelt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei mit dem Kündigungsschreiben vom 08.07.2010, ausgehändigt am 12.07.2010, erfolgt.

Mit Widerspruchs...

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