Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen. Feststellung des Anspruchs durch Verwaltungsakt. 4-jährige Verjährungsfrist

 

Orientierungssatz

Die Verjährungsfrist für die durch Verwaltungsakt gem § 50 Abs 3 SGB 10 festgestellte Erstattungsforderung (hier: überzahltes Arbeitslosengeld) beträgt gem § 50 Abs 4 S 1 SGB 10 4 Jahre. Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 52 SGB 10, die zwar nach § 50 Abs 4 S 3 SGB 10 unberührt bleibt, ist nicht anwendbar. § 50 Abs 4 SGB 10 beinhaltet eine Sonderregelung für die Feststellung des Anspruchs durch Verwaltungsakt. Erst wenn zusätzliche Verwaltungsakte zur Durchsetzung des Anspruchs ergehen, unterfallen diese dem § 52 SGB 10.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 07.12.2017 wird zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass die dem Erstattungsbescheid vom 31.08.2010 zugrundeliegende Forderung der Beklagten, soweit sie über die erfolgte Aufrechnung hinausgeht, sowie die dem Erstattungsbescheid vom 08.10.2010 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20.03.2017 zugrundeliegende Forderung der Beklagten vollumfänglich verjährt ist.

3. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch über die Verjährung zweier Erstattungsforderungen der Beklagten gegen die Klägerin.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit bestandskräftigen Bescheid vom 26.08.2009 Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.09.2009 bis zum 02.11.2010 mit Leistungsbeginn am 08.09.2009 aufgrund der Feststellung einer Sperrzeit und mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von (i.H.v.) 6,90 € (207,00 € monatlich). Aufgrund eines ihr am 17.03.2010 zugegangenen Datenabgleichs erhielt die Beklagte Kenntnis von der Überschneidung des Leistungsbezugs der Klägerin mit einer Beschäftigung ab dem 09.12.2009. Auf die Aufforderung der Beklagten übersandte der Arbeitgeber am 11.03.2010 Bescheinigungen über Nebeneinkommen für die Zeit vom 09.12. bis 31.12.2009 i.H.v. 130,40 € bei einer Gesamtarbeitszeit von 16 und  einer  vereinbarten  Wochenarbeitszeit  von  10 Stunden sowie für die Zeit vom 01.01. bis 31.01.2010 i.H.v. 97,80 € bei einer Gesamtarbeitszeit von 12 und einer vereinbarten Wochenarbeitszeit wie zuvor. Eine Anrechnung von Nebeneinkommen erfolgte hierauf nicht.

Am 30.07.2010 erhielt die Beklagte erneut aufgrund eines Datenabgleichs Kenntnis von der Überschneidung des Leistungsbezugs mit einer Beschäftigung ab dem 11.06.2010. Auf der Grundlage der überreichten Bescheinigungen über Nebeneinkommen änderte die Beklagte mit - bestandskräftigem - Änderungsbescheid vom 31.08.2010 die Bewilligung des Alg unter Verweis auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab und setzte unter Berücksichtigung des von der Klägerin in der Zeit vom 01.06.2010 bis zum 31.10.2010 erzielten Nebeneinkommens den täglichen Leistungsbetrag neu fest (01.06.2010 bis 30.06.2010 i.H.v. 1,08 €, 01.07.2010 bis 31.07.2010 i.H.v. 2,70 €, 01.08.2010 bis 31.08.2010 i.H.v. 6,90 €, 01.09.2010 bis 31.10.2010 i.H.v. 1,08 €, 01.11.2010 bis 02.11.2010 i.H.v. 6,90 €). Gleichzeitig forderte sie mit bestandskräftigem Erstattungsbescheid vom 31.08.2010 unter Verweis auf die vorgenannte Änderung der Bewilligung die Erstattung i.H.v. 300,60 €. Des Weiteren erklärte sie die Aufrechnung i.H.v. 3,45 € pro Tag mit den Ansprüchen der Klägerin auf Alg.

Auf die weitere Aufforderung der Beklagten legte die Klägerin Nebenverdienstbescheinigungen vom 30.09.2010 für August 2010 (Einkommen

i.H.v. 346,75 €) sowie für September (Einkommen i.H.v. 400,00 €) vor, worauf die Beklagte die Bewilligung von Alg vom 01.08.2010 bis zum 30.09.2010 unter Verweis auf § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aufhob und die Erstattung des überzahlten Betrages i.H.v. 239,40 € forderte (Aufhebung- und Erstattungsbescheid vom 08.10.2010), weil das aus einer kurzzeitigen Beschäftigung anzurechnende Nebeneinkommen nach Abzug von Steuern, Werbungskosten und Freibetrag i.H.v. 165,00 € den der Klägerin ohne die Anrechnung zustehenden Leistungssatz übersteige.

Auf eine Zahlungserinnerung und -aufforderung vom 07.10.2016 zum Ausgleich der offenen Forderung i.H.v. insgesamt 409,90 € bis zum 21.10.2016  beantragte die Klägerin am 19.10.2016 über ihren Prozessbevollmächtigten die Überprüfung des zugrunde liegenden Forderungsbetrages im Wege des Zugunstenverfahrens. Mit Bescheid vom 17.11.2016 lehnte die Beklagte die Änderung der Bescheide vom 08.10.2010 und 31.10.2010 ab. Den Widerspruch, dessen Begründung die Klägerin ausdrücklich verweigerte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2016 zurück.

Am 28.12.2016 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Sie begehrte unter Abänderung des Zugunstenbescheids die Aufhebung der oben genannten Abänderungs- und Erstatt...

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