Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bei zeitlich befristeter Auslandsbeschäftigung mit Verlängerungsklausel

 

Orientierungssatz

Die Befristung einer Auslandsbeschäftigung ist nur dann als zukunftsoffen anzusehen, wenn die vertraglichen Regelungen und auch die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen nicht hinreichend erkennen lassen, daß der Auslandseinsatz von Anfang an lediglich vorübergehend sein sollte. Eine Befristung mit Verlängerungsklausel darf somit nicht isoliert gesehen werden; entscheidend sind vielmehr die gesamten Umstände. Ergeben sie, daß der Arbeitnehmer für eine begrenzte Zeit im Ausland beschäftigt werden soll, hat eine Verlängerungsklausel lediglich eine nebensächliche Bedeutung. Im Vordergrund steht dann die Befristung als gezielte und bewußte zeitliche Begrenzung.

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 28.11.1997; Aktenzeichen S 3 A 26/97)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.11.1998; Aktenzeichen B 4 RA 39/98 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.11.1997 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, den Auslandsaufenthalt der Klägerin von Juli 1964 bis August 1969 als Kindererziehungszeiten (Berücksichtigungszeiten) für ihre beiden am 27.4.1963 und am 29.7.1966 geborenen Kinder Frank und Andreas vorzumerken.

Die Klägerin wohnte in dieser Zeit zusammen mit den Kindern und ihrem Ehemann in den USA. Der Ehemann war gleichzeitig dort bei der amerikanischen Tochtergesellschaft der Firma … und anschließend wieder bei diesem Unternehmen im Inland bis zum 30.9.1991 beschäftigt. Er war von der inländischen Versicherungspflicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze befreit gewesen.

Die Auslandsbeschäftigung war durch zwei Verträge vom 14.7.1964 und weitere zwei Verträge vom 14.12.1967 geregelt worden. Im ersten Vertrag waren insgesamt zwei Vertragsperioden zu jeweils drei Jahren festgelegt und vereinbart worden, daß die Regelungen ab 1.7.1964 für drei Jahre zuzüglich des Deutschlandurlaubs gelten und sich im Anschluß daran um jeweils ein Jahr verlängern, wenn der Aufenthalt nicht vorher beendet wird. In den Verträgen vom 14.12.1967 war bestimmt worden, daß die Regelungen ab 1.10.1967 für zwei Jahre gelten und sich um jeweils zwei weitere Jahre verlängern, wenn der Aufenthalt nicht vorher beendet wird.

In allen Verträgen hatte die Firma … sich vorbehalten, den Auslandsauftrag vorzeitig zu beenden und den Ehemann der Klägerin zurückzurufen oder zu versetzen. Es war auch ausdrücklich ua vereinbart worden, daß das Inlandsbeschäftigungsverhältnis während des Auslandseinsatzes ruht und daß die Firma … für den Ehemann der Klägerin weiterhin die Beiträge zur betrieblichen Pensionskasse zahlt und für ihn auf ihre Kosten eine Unfallversicherung abschließt sowie die aus diesen Leistungen etwa entstehende Steuerbelastung übernimmt.

Durch Bescheid vom 3.9.1996 und Widerspruchsbescheid vom 23.12.1996 lehnte die Beklagte es ab, Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten auch für die Dauer des USA-Aufenthaltes vom 1.7.1964 bis zum 31.8.1969 anzuerkennen. Das Auslandsarbeitsverhältnis sei nicht von vornherein befristet gewesen, weil jeweils eine automatische Verlängerung vereinbart worden sei.

Das Sozialgericht Mainz hat dagegen gemeint, die Verlängerungsklauseln änderten hier nichts daran, daß der Auslandseinsatz von vornherein nur für eine bestimmte Zeit gewollt und daher befristet gewesen sei. Es habe in dieser Zeit auch ein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem Inlandsunternehmen fortbestanden. Dementsprechend hat das Sozialgericht die Beklagte durch Urteil vom 28.11.1997 zur Anerkennung der streitigen Zeit verurteilt.

Mit der dagegen rechtzeitig eingelegten Berufung macht die Beklagte weiterhin geltend, die Auslandsbeschäftigung sei nicht von vornherein befristet, sondern durch die Verlängerungsklauseln zukunftsoffen gewesen. Das schließe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (u.a. Urteil vom 4.5.1994 –11 RAr 55/93) eine Berücksichtigung von Auslandserziehungszeiten nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI aus. Im übrigen sei es fraglich, ob überhaupt von einem Rumpfarbeitsverhältnis ausgegangen werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.11.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin hat nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI Anspruch auf Anerkennung der Erziehungszeiten in den U...

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