Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Arbeitslosengeld

 

Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte

AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen, Geschäftsstelle Oberursel, Oberursel, Feldbergstraße 31

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger vom 3. November 1988 bis 31. März 1989 Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.

Der 1933 geborene Kläger beantragte am 3. November 1988 beim Arbeitsamt Frankfurt (ArbA) Alg. Nach den eingeholten Arbeitsbescheinigungen vom 8., 9. und 15. November 1988 war der Kläger vom 1. August 1969 bis zum 31. März 1983 als Chemiker bei der Firma H AG tätig gewesen. Im Anschluß daran war er vom 1. April 1983 bis zum 31. August 1986 als Leiter des Regionalbüros Singapur bei der Firma P -S GmbH mit Sitz in G und schließlich vom 1. September 1986 bis 31. Oktober 1988 als Leiter des Büros der F AG (F. AG), B H , in Singapur beschäftigt. Diese Beschäftigung, für die Beiträge zur deutschen Sozialversicherung abgeführt wurden, kündigte der Kläger am 20. April 1988 zum 31. Oktober 1988, weil das Vertrauensverhältnis zu der Geschäftsleitung durch häufigen Wechsel der Exportleitung gestört gewesen und es dadurch zu einem "Gesichtsverlust" für ihn in Asien gekommen sei.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein Vertrag zwischen der F. AG (im folgenden F.), B H , und dem Kläger, Singapur, der von den Vertragspartnern am 22. Mai 1986 in O bzw 28. Mai 1986 in Singapur unterschrieben und um eine am 18. Juni 1986 in O schriftlich festgehaltene Zusatzvereinbarung ergänzt bzw berichtigt worden war. Danach galt mit Wirkung ab 1. September für das Regionalbüro: Dr. H (H. - der Kläger) übernimmt als delegierter Mitarbeiter von F. die Gründung, die Führung und die Leitung des Regionalbüros für F. Medizintechnik in Singapur (unter I/1). Vorwiegendes Ziel dieses Büros ist der Ausbau einer Händlerstruktur und eines technischen Servicenetzes, Marktforschung sowie ständiger Kontakt mit Überwachung und Steuerung der Aktivitäten von Vertretern und Händlern von F. in Asien. Dr. H. leitet dieses Büro. Sein Dienstsitz ist Singapur. Spätestens nach Ablauf von 18 Monaten nach Eröffnung und Tätigkeitsaufnahme des Büros wird eine Entscheidung über die Fortsetzung oder Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen (unter I/6). Entscheidungsgrundlage soll die mittel- und langfristige wirtschaftliche Basis der in der Region zustandegekommenen Abmachungen sein. Weiter heißt es (unter I/4): "Die Dauer der Zusammenarbeit erstreckt sich vorerst auf 24 Monate ab dem 1. September 1986, und der Vertrag wird automatisch um ein Jahr jeweils verlängert, falls nicht sechs Monate vor Ablauf eine der beiden Parteien die Zusammenarbeit kündigt."

Unter dem Abschnitt Dienstverhältnis einschließlich "Sonstige Vereinbarungen" zwischen F. und Dr. H. heißt es ua, daß er ab 1. September 1986 als Leiter des Regionalbüros Singapur Medizintechnik im Dienst der F. steht. F. kann aber auch Dr. H. andere Aufgaben in anderen Ländern inclusive in Deutschland übertragen, wozu er sich auch bereit erklärt. Die monatliche Vergütung beträgt 9.000,00 DM zuzüglich einer garantierten monatlichen Leistungsprämie von 1.500,00 DM. Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet, ohne daß es einer Kündigung bedarf. Umzugskosten übernimmt F., wenn er nach der Pensionierung nach Deutschland zieht. Der Vertrag kann von beiden Vertragspartnern nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

Mit Bescheid vom 8. Februar 1989 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Seinen Widerspruch wies das ArbA mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1989 zurück. Der Kläger habe nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht unterlegen, da seine Beschäftigung bei der F. AG keine Entsendung iS des § 4 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) darstelle.

Die gegen diesen Bescheid vor dem Sozialgericht (SG) erhobene Klage hatte Erfolg. Das SG hob die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 3. November 1988 Alg im gesetzlichen Umfang zu gewähren. In seinem Fall lägen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 1 SGB IV sowie die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vor.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg ab 3. November 1988, weil die Voraussetzungen des § 4 SGB IV nicht vorlägen. Entsendung bedeute Beschäftigung eines Arbeitnehmers in einem fremden Staatsgebiet im Auftrag und im Interesse seines in Deutschland gelegenen Betriebes. Diese Voraussetzung liege bei dem Kläger vor. Voraussetzung sei jedoch weiterhin, um von einer Entsendung iS des Gesetzes ausgehen zu können, daß der Arbeitsvertrag eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung enthalte. Dabei komme es nicht auf die Dauer der vorübergehenden Beschäftigung im Ausland an. Maßgeblich sei vielmehr, daß von vornherein eine zeitliche Begrenzung Inhalt des Arbeitsvertrages sei. Diese sehe der Senat weder im Arbeitsvertrag vom 22. Mai 1986 noch in der Zusatzvereinbarung vom 18. Juni 1986 mit der F. AG. Zunächst sei vorgesehen gewesen, daß der Arbeitsvertrag für 18 Monate "vorerst" geschlossen wurde, und zwar ab dem 1. Juni 1986. Das Wort "vorerst" schließe schon von vornherein eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung aus, lasse vielmehr im Gegenteil die Begrenzung offen. Auch die Zusatzvereinbarung habe die Dauer der Zusammenarbeit auf vorerst 24 Monate erstreckt. Der Vertrag habe sich jeweils um ein Jahr verlängert, falls nicht sechs Monate vor Ablauf eine der beiden Parteien die Zusammenarbeit gekündigt habe. Diese Verlängerungsklausel schließe von vornherein eine zeitliche mit Datum fixierte Begrenzung des Vertrages mit der F. AG aus, so daß von einer Entsendung iS des § 4 SGB IV nicht gesprochen werden könne.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie des § 4 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe den zwischen ihm und der F. AG bestehenden Vertrag fehlerhaft ausgelegt. § 4 Abs 1 SGB IV fordere lediglich eine zeitliche Begrenzung vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Eine Verlängerungsklausel sei unschädlich, jedenfalls dann, wenn die Verlängerungsklausel selbst ein festes zeitliches Ende vorsehe. Die Vereinbarung enthalte eine Verlängerungsklausel, die aber nur dann wirksam werde, wenn beide Parteien mit einer Verlängerung des Vertrages - wiederum nur für einen begrenzten Zeitraum - einverstanden seien. Der Vertrag enthalte zudem eine zeitliche Begrenzung. Das Wort "vorerst" stehe dem nicht entgegen. Außerdem entspreche es dem Sinn und Zweck des § 4 Abs 1 SGB IV, daß das Arbeitsverhältnis dem deutschen Sozialrecht unterstellt werden sollte, weil eine enge Bindung der beteiligten Parteien an das deutsche Sozialrecht gegeben sei. Das Arbeitsverhältnis sei in Deutschland begründet, der Arbeitgeber sei ein deutscher Betrieb, er sei direkt den deutschen Vorgesetzten der deutschen Zentrale unterstellt gewesen, und die Vergütung sei in Deutschland gezahlt worden. Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe dieser Auffassung nicht entgegen. Auch aus der Eigenart seiner Tätigkeit, wonach er eine Vertretung in Singapur errichten sollte, ergebe sich seine Auffassung. Es sei nämlich vorgesehen gewesen, daß er nach Errichtung der Niederlassung und deren Erprobung an anderer Stelle, uU auch im Hauptbetrieb der Firma, weiterbeschäftigt werden sollte. Außerdem hätten sich die Parteien im Arbeitsvertrag auf eine Laufzeit des Vertrages geeinigt und es damit - für den Fall, daß die Errichtung der Vertretung in Singapur fehlschlagen würde - übernommen, ihn nicht nur in Singapur, sondern auch in Deutschland zu beschäftigen.

Im übrigen habe das LSG seine Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt. Er habe nämlich vorgetragen, daß seine Tätigkeit von der Natur der Sache her zeitlich begrenzt gewesen sei. Hätte das LSG Zweifel an der zeitlichen Begrenzung des Beschäftigungsverhältnisses gehabt, hätte es insoweit jedenfalls den weiteren Sachverhalt aufklären müssen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Auffassung des LSG, daß hier kein Fall der Entsendung iS des § 4 SGB IV vorliege, für zutreffend. Aus einem Recht des Arbeitgebers, den Beschäftigten jederzeit aus dem Ausland zurückzurufen und ihm einen Arbeitsplatz im Inland zuzuweisen, ergebe sich keine im voraus bestehende zeitliche Begrenzung der Entsendung. Der Vertrag zwischen dem Kläger und der F. AG enthalte keine Verlängerungsklausel; er verlängerte sich nämlich automatisch um ein Jahr, falls er nicht sechs Monate vor Ablauf von einer der beiden Parteien gekündigt wurde. Folgerichtig habe der Vertrag deshalb auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens mit Ablauf des Monats vorgesehen, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete. Für diesen Fall sei auch eine Umzugskostenregelung für den Fall der Rückkehr nach Deutschland nach Pensionierung vereinbart worden. Unzutreffend sei die Behauptung des Klägers, er habe lediglich eine Vertretung in Singapur errichten sollen, so daß sich dadurch eine zeitliche Begrenzung aus der Art der Tätigkeit ergeben habe. Das Gegenteil ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag.

Die Beigeladene hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§§ 124 Abs 2, 153 Abs 1, 165 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

II

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg.

Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Der Anspruch des Klägers auf Alg scheitert bereits daran, daß die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.

Nach § 104 Abs 1 AFG hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Tage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168) gestanden hat. Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs 1 1. Halbsatz AFG Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt sind. Nach § 173a AFG gelten für die Beitragspflicht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Vorschriften des SGB IV über Ausstrahlung und Einstrahlung (§§ 4 und 5) entsprechend.

Die Voraussetzungen der "Ausstrahlung" nach § 4 SGB IV waren bei dem Kläger mangels Zugehörigkeit zur deutschen Sozialversicherung während der Zeit seiner Beschäftigung bei der F. AG nicht gegeben, so daß er die nach § 104 Abs 1 AFG erforderliche Anwartschaftszeit von 360 Kalendertagen beitragspflichtiger Beschäftigung in der dreijährigen Rahmenfrist vom 3. November 1985 bis zum 2. November 1988 (§ 104 Abs 2 und 3 AFG) nicht erfüllt hat.

§ 4 SGB IV hat zum Inhalt, daß die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist.

Diese Vorschrift ist hier einschlägig, denn überstaatliche Regelungen oder ein Abkommen, das dieser Vorschrift gem § 6 SGB IV vorgeht, bestehen zwischen Deutschland und Singapur nicht. Im Geltungsbereich des SGB - also in Deutschland - muß danach zwischen dem Kläger und der F. AG ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestanden haben. Aus der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum SGB IV - BT-Drucks 7/4122 S 30 zu § 4 - ergibt sich, daß dessen Schwerpunkt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Inland liegen muß, um die Kontinuität der Vorschrift zur bisherigen Praxis und Rechtsprechung zur "Ausstrahlung" sicherzustellen (vgl BSGE 7, 257, 265; 17, 173, 179 und BSG SozR 5870 § 1 Nr 9). Im einzelnen heißt dies vor allem, daß der Arbeitnehmer während seiner Auslandstätigkeit organisatorisch in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert und dessen - allerdings gelockertem - Weisungsrecht bezüglich seiner Tätigkeit unterworfen bleibt (BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 11). Weiter ist erforderlich, daß der solcherart Beschäftigte in das Ausland entsandt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG fordert der Begriff der Entsendung iS der Vorschrift grundsätzlich, daß sich der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort in Deutschland in einen anderen Staat begibt. Er muß deshalb vorher bereits in Deutschland eingestellt und in der Regel dort auch für seinen Arbeitgeber gearbeitet haben. Allerdings ist eine Entsendung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das Beschäftigungsverhältnis allein im Hinblick auf die Entsendung begründet worden ist. Mangels Bewegung aus Deutschland ins Ausland fehlt es hingegen an einer Entsendung, wenn ein Arbeitnehmer in seinem ausländischen Wohnstaat von einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland für eine Beschäftigung in seinem Wohnstaat angeworben worden ist. In solchen Fällen hat das Beschäftigungsverhältnis, weil es nur im Ausland verwirklicht wird, keine Beziehung zur deutschen Sozialversicherung. Diese Beziehung wird erst dadurch hergestellt, daß der Arbeitnehmer vor seiner Entsendung ins Ausland entweder in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt war oder wenigstens dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat (BSGE 60, 96, 98 = SozR 2100 § 4 Nr 3; BSG SozR 5870 § 1 Nrn 9 und 11).

Diese Voraussetzungen können offenbleiben, denn die Annahme einer Entsendung iS der Vorschrift scheitert jedenfalls daran, daß sie weder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt war noch sich dies aus der Eigenart der vorgesehenen Tätigkeit des Klägers in Singapur ergibt.

Für eine im voraus getroffene vertragliche zeitliche Begrenzung ist dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift entsprechend zu verlangen, daß dadurch die Verbindung der Beschäftigung zum Inland klar erkennbar bleibt (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in BT-Drucks 7/4122 S 30 zu § 4). Von der "Ausstrahlungswirkung" des § 4 SGB IV sollen nämlich nur die Auslandsbeschäftigungen erfaßt werden, die eine enge Verbindung mit der deutschen Wirtschafts-und Sozialordnung aufweisen, denn nur solche Beschäftigungsverhältnisse sollen in den Schutzbereich der deutschen Sozial- und Arbeitslosenversicherung einbezogen werden. Dem entspricht allein die auch in den Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Aus- und Einstrahlung der Spitzenverbände der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherungsträger sowie der Bundesanstalt für Arbeit vom 24. April 1989 (abgedruckt bei Sabel, SGB, Stand Januar 1993 zu § 4 SGB IV, dort unter 3.3.4.) zum Ausdruck gekommene Vorstellung, daß die Begrenzung im Vertrag grundsätzlich durch ein festes Datum, wenigstens aber durch den Eintritt eines vorher zeitlich bestimmten Ereignisses vorgenommen werden muß. Eine bestimmte Dauer im Sinne einer Höchstdauer des "vorübergehenden" Auslandsaufenthalts läßt sich hingegen aus dem Gesetz nicht herleiten (so bereits BSGE 40, 57 ff vor Inkrafttreten des SGB IV). Einer derartigen Annahme stünden nämlich zu berücksichtigende Interessen der Wirtschaft an einem flexiblen vorübergehenden Auslandseinsatz von Beschäftigten entgegen (vgl die Richtlinien aaO unter 3.4. Abs 2).

Aus dem Vertrag des Klägers mit der F. AG ergibt sich keine vorher festgelegte zeitliche Begrenzung seiner Beschäftigung in Singapur. Maßgeblich sind insoweit in erster Linie die Abmachungen in Teil I des Vertrages, die das Regionalbüro in Singapur betreffen. Danach war die Beschäftigung des Klägers nicht von vornherein auf 24 Monate oder sonst begrenzt. Aus I/4, 6 des Vertrages und Nr 4 der Zusatzvereinbarung vom 18. Juni 1986 iVm den vertraglich vorgesehenen Aufgaben des Klägers ergibt sich vielmehr, daß dessen Beschäftigung in Singapur und verschiedenen anderen Ländern Asiens auf unbestimmte Dauer angelegt war. Mit Recht hat das LSG angenommen, daß bereits die Verwendung des Wortes "vorerst" in I/4 des Vertrages und Nr 4 der Zusatzvereinbarung darauf hindeutet, daß die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der F. AG in Singapur im Hinblick auf die dort und in anderen Ländern Asiens vorgesehenen Aufgaben von vornherein nicht nach 24 Monaten auslaufen sollte. Dafür spricht, daß die Beteiligten weder durch Datierung eines Endzeitpunktes noch Annahme eines von vornherein eindeutig bestimmten zeitlichen Ereignisses eine Beendigung der in Singapur begonnen Aufgaben vereinbart hatten. Diese Tätigkeit sollte und mußte nicht verlängert werden, sondern stets automatisch ein Jahr weiterlaufen, wenn die Vereinbarung nicht 6 Monate vor ihrem Ablauf am 31. August des Jahres gekündigt wurde. Für die F. AG sollte diese Möglichkeit zunächst von dem von ihr spätestens nach 18 Monaten der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers in Singapur zu entscheidenden Scheitern des Regionalbüros (I/6 des Vertrages) abhängen. Das bedeutet, daß die Beendigung der Tätigkeit des Klägers in Singapur von der Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung, wie es für die Beendigung von auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsverträgen typisch ist und gerade nicht von einem zeitlich fixierten Datum oder dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhing. Die im Teil "Dienstverhältnis und sonstige Vereinbarungen" des Vertrages enthaltene Abrede, daß das Dienstverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats enden sollte, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollenden würde und die F. AG für diesen Fall die Umzugskosten nach Deutschland übernehmen sollte, stellt auch für den Fall, daß der Kläger solange in Singapur beschäftigt worden wäre, keine zeitliche Begrenzung iS des § 4 SGB IV dar, denn sonst ließe sich, dem Gesetzeszweck widersprechend, jede Auslandsentsendung als zeitlich begrenzte vertraglich gestalten (Zu der ab 1. Januar 1992 aufgrund des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 - BGBl I, 2261; 1990, 1337 insoweit geltenden Rechtslage vgl BAG vom 20. Oktober 1993 - 7 AZR 135/93 - in Betriebsberater 1994, 66 ff).

Die im Arbeitsvertrag des Klägers beschriebenen wesentlichen Aufgaben des Klägers bestärken diese Auslegung. Wesentliche Aufgabe des Klägers war es nämlich, eine Händlerstruktur und ein technisches Servicenetz in verschiedenen Ländern Asiens auszubauen, Marktforschung zu betreiben und die Tätigkeit der Händler zu überwachen und zu steuern (I/1 des Vertrages) sowie mit potentiellen Partnern Verträge abzuschließen (I/3 des Vertrages). Sogar eine Ausdehnung auf weitere Länder war bei erfolgreichem Verlauf dieser Tätigkeit bereits von vornherein ins Auge gefaßt (I/1 des Vertrages). Die in der Revision zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Klägers, daß er nach Errichtung der Niederlassung und deren Erprobung an anderer Stelle weiterarbeiten sollte, findet deshalb im Vertrag keine Stütze. Dem steht auch die Regelung im Abschnitt Dienstverhältnis, wonach der Kläger auch anderweitig eingesetzt werden kann, nicht entgegen. Die Auffassung des LSG, die Beschäftigung des Klägers in Singapur und Asien sei auf Dauer angelegt und nicht von vornherein vertraglich zeitlich begrenzt iS des § 4 Abs 4 SGB IV gewesen, ist mithin nicht zu beanstanden.

Eine zeitliche Begrenzung dieser Beschäftigung von vornherein ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers hier auch nicht aus der Eigenart seines Beschäftigungsverhältnisses. Zwar kann sich die zeitliche Begrenzung auch aus der Eigenart der vorgesehenen Beschäftigung, also aus der "Natur der Sache" des Beschäftigungsverhältnisses ergeben (BSG, Urteil vom 4. August 1992 - 2 RU 42/91 -), wie es gesetzlich zB in gleichartiger Weise für auf weniger als 18 Stunden wöchentlich beschränkte Arbeitsverhältnisse in § 102 Abs 1 AFG geregelt ist. Wie dort ist auch im vorliegenden Zusammenhang in vorausschauender Betrachtungsweise zu beurteilen, ob Wesen, Inhalt oder Umfang der vorgesehenen Beschäftigung deren zeitliche Beschränkung ergeben (vgl Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand September 1993 § 102 RdNr 4 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG). So kann zB eine zeitliche Begrenzung aus der Eigenart der Beschäftigung bei solchen Arbeiten anzunehmen sein, deren zeitliches Ausmaß aufgrund ihres Inhalts oder Umfangs zwar nicht von vornherein datierbar, wohl aber abschätzbar ist und nach deren Beendigung der entsandte Arbeitnehmer außerdem regelmäßig an den inländischen Beschäftigungsort zurückkehrt, wie es die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des SGB IV (vgl BSGE 17, 173, 179; 40, 57 ff), die nach den Gesetzesmaterialien zu § 4 SGB IV durch diese Vorschrift (BT-Drucks aaO) kontinuierlich fortgeführt werden soll, außerdem forderte.

Das LSG hat zu dieser Frage keine Ausführungen gemacht und deshalb über die Feststellung des Inhalts des Arbeitsvertrages des Klägers hinaus insoweit auch keine weiteren Feststellungen getroffen. Daran ist der Senat gem § 163 SGG gebunden, denn die in Bezug hierauf mit der Revision erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung greift mangels ausreichender Begründung nicht (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Der Kläger hat nämlich nicht, wie erforderlich, in der Revisionsbegründung selbst die Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 164 RdNr 12 mN aus der Rechtsprechung). Der Kläger hätte, da er offenbar eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) rügen will, wenigstens darlegen müssen, warum das LSG eine weitere Sachaufklärung hätte betreiben und zu welchen über die Feststellung des Inhalts des Arbeitsvertrages hinausgehenden weiteren Ermittlungen das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen sowie zu welchen Ergebnissen die Ermittlungen geführt hätten (Meyer-Ladewig aaO). Er hätte etwa weitere Tatsachen angeben müssen, die über den Inhalt der in seinem Arbeitsvertrag beschriebenen Aufgaben hinaus dazu führen könnten, daß dann aus der Eigenart seiner Beschäftigung auf deren zeitliche Begrenzung geschlossen werden könnte, denn dem festgestellten Inhalt des Arbeitsvertrages, insbesondere dem dort niedergelegten Aufgabenkatalog des Klägers allein ist jedenfalls nicht als Eigenart seines Beschäftgungsverhältnisses im oben aufgezeigten Sinn dessen zeitliche Begrenzung im voraus zu entnehmen. Insoweit gilt nichts anderes als das bereits zur vertraglichen Begrenzung des Vertrages Erörterte.

Dadurch, daß er in seinen Ausführungen lediglich auf einen im Berufungsschriftsatz vom 6. Dezember 1992 enthaltenen Passus aus seinem vom LSG festgestellten Inhalt des Arbeitsvertrages abstellt, hat er den genannten Voraussetzungen nicht genügt. Somit fehlt es im Falle des Klägers an den Voraussetzungen des § 4 SGB IV.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß für ihn während der Zeit seiner Beschäftigung bei der F. AG tatsächlich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind, denn dieser Umstand begründet seine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nicht. Diese kann, wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, nämlich nur nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen entstehen (vgl zB BSGE 49, 22, 28 f = SozR 4100 § 168 Nr 10 sowie BSGE 70, 81, 84 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8). Da der Kläger wegen fehlender Zugehörigkeit zur deutschen Sozialversicherung nicht gem § 168 AFG beitragspflichtig beschäftigt war (§ 173a AFG), konnte er die erforderliche Anwartschaftszeit des § 104 AFG nicht erfüllen.

Nach alledem ist die Revision unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517668

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