Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Satzungsänderung. späterer Zeitpunkt des Entstehens des Krankengeldanspruchs für freiwillig Versicherte ist verfassungsgemäß

 

Orientierungssatz

Eine Satzungsänderung, die das Entstehen des Krankengeldanspruchs für freiwillig Versicherte zu einem späteren Zeitpunkt festsetzt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht (vgl BSG vom 28.9.1993 - 1 RK 34/92 = SozR 3-2500 § 44 Nr 4).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.06.2000; Aktenzeichen B 1 KR 64/99 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Umfang des Krankenversicherungsschutzes des Klägers, der sich inzident gegen eine Satzungsänderung der Beklagten wendet.

Der 1940 geborene Kläger ist als selbständiger Handwerker seit 1974 freiwilliges Mitglied der Beklagten bzw. einer ihrer Rechtsvorgängerinnen, der AOK für den Kreis B.. Aufgrund der früheren Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) sah deren Satzung vor, dass freiwillige Mitglieder entsprechend den individuellen Bedürfnissen bei entsprechend differenzierten Beitragssätzen hinsichtlich des Beginns des Krankengeldanspruches wählen konnten. Die Versicherung des Klägers beinhaltete einen sofortigen Krankengeldanspruch ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Einen solchen sah zwar die zum 1.1.1994 in Kraft getretene Satzung der Beklagten grundsätzlich nicht mehr vor; sie ermöglichte aber für vor dem 1.1.1994 begründete freiwillige Versicherungsverhältnisse eine Besitzstandswahrung (§ 18 Abs 6 aF der Satzung) bei differenzierten Beitragssätzen (§ 21 Abs 11 aF der Satzung). Differenziert nach dem Krankengeldbeginn galten danach für die freiwilligen Mitglieder folgende Beitragssätze:

-       bei Krankengeldanspruch ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit 13,9 vH (1797 Mitglieder -Stand: November 1996-), - bei Krankengeldanspruch ab der 4. Woche der Arbeitsunfähigkeit 14,9 vH (2423 Mitglieder),

-       bei Krankengeldanspruch ab der 3. Woche der Arbeitsunfähigkeit 16,5 vH (643 besitzstandsgeschützte Mitglieder),

-       bei Krankengeldanspruch ab der 2. Woche der Arbeitsunfähigkeit 18,1 vH (176 besitzstandsgeschützte Mitglieder),

-       bei sofortigem Krankengeldanspruch ab Arbeitsunfähigkeit 21,0 vH (854 besitzstandsgeschützte Mitglieder).

Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 10.5.1995 -1 RR 2/94- solche über die Regelungen der §§ 241 bis 243 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) hinausgehenden Differenzierungen der Beitragssätze als unzulässig erachtet hatte, wies das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit Rheinland-Pfalz als Aufsichtsbehörde die Beklagte an, die Satzungsregelungen über differenziert erhöhte Beitragssätze einschließlich bestehender Besitzstandsregelungen spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1996 anzupassen. In seiner Sitzung vom 2.12.1996 beschloss der Verwaltungsrat der Beklagten deshalb ua die Streichung der diesbezüglichen Regelungen der §§ 18 Abs 6 und 21 Abs 11 der Satzung mit Wirkung vom 1.1.1997. Die Änderung wurde von der Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 23.12.1996 genehmigt.

Mit formlosem Bescheid vom 6.12.1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass infolge der Satzungsänderung ab dem 1.1.1997 der bisherige Versicherungsschutz mit sofortigem Krankengeldanspruch entfalle. Er könne die freiwillige Versicherung mit einem Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit (Beitragssatz: 14,9 vH), ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit (Beitragssatz: 13,5 vH) oder ohne Anspruch auf Krankengeld (Beitragssatz: 12,3 vH) fortsetzen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und bestand auf der Fortführung des Versicherungsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen. Mit Bescheid vom 13.1.1997 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 29.1.1997 verblieb die Beklagte bei ihrer Entscheidung. Die hiergegen am 6.2.1997 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Mainz durch Urteil vom 27.10.1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Fortführung des Krankenversicherungsverhältnisses mit der bisherigen Krankengeldregelung. Vielmehr habe die Beklagte im Rahmen des § 44 Abs 2 SGB V ihre Satzung ändern und die bisherige Besitzstandswahrung beseitigen dürfen (Hinweis auf BSG 28.9.1993 -1 RK 34/92-, SozR 3-2500 § 44 Nr 4). Die vom Kläger angegriffene Änderung seines Krankenversicherungsschutzes verletze ihn auch nicht in seinen Grundrechten. Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) gebiete es nicht, freiwillig versicherten Selbständigen einen Versicherungsschutz mit sofortigem Krankengeldbeginn zu gewährleisten. Die Bestandsgarantie des Eigentums nach Art 14 Abs 1 GG sei durch die Einschränkung des Krankengeldanspruchs nicht tangiert, zumal beim Kläger der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Änderung nicht vorgelegen habe und er die Möglichkeit hatte, sich auf die neue Rechtslage umzustellen und durch Abschluss einer privaten Zusatzversicherung oder der Bildung einer Rücklage die entstanden...

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