Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattungsanspruch. Kostenentstehung. keine Kostenübernahme einer Brustvergrößerung wegen Asymmetrie

 

Orientierungssatz

1. Die Erstattung von Kosten setzt sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck des § 13 Abs 3 SGB 5 voraus, dass dem Versicherten auf Grund der Ablehnung der Sachleistung durch die Krankenkasse Kosten überhaupt entstanden sind. Das ist nur der Fall, wenn der Versicherte einem rechtlich durchsetzbaren Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ausgesetzt ist. Wird für eine ärztliche Leistung ein Pauschalhonorar in Rechnung gestellt, entspricht dies nicht den gesetzlichen Bestimmungen und begründet keinen rechtlich durchsetzbaren Vergütungsanspruch der Ärzte.

2. Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit (hier: Brustvergrößerung wegen Asymmetrie) kommt Krankheitswert im Rechtssinne zu; eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl BSG vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.02.2008; Aktenzeichen B 1 KR 19/07 R)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten der zur Beseitigung einer bestehenden Asymmetrie der Brüste durchgeführten einseitigen Brustvergrößerung in Höhe von insgesamt 5320,10 € abzüglich Zuzahlungen.

Bei der 1988 geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin war die linke Brust ca. fünfmal so groß war wie die rechte. Eine 2003 bis 2004 versuchte hormonelle Behandlung war erfolglos geblieben. Im Juli 2003 hatte die Beklagte der Klägerin Brustprothesen für BH und Badeanzug gewährt. Im Januar 2004 beantragte die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen des Chirurgen Prof. Dr. J und des Frauenarztes Dr. Z die Kostenübernahme für eine operative Vergrößerung der rechten Brust, weil der Größenunterschied zwischen den Brüsten entstellend sei und zu psychischen Belastungen führe. Der von der Beklagten beteiligte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK, Stellungnahme Dr. H-V vom 8.3.2004, Gutachten Ärztin H vom 19.4.2004) führte aus, entgegen den vorgelegten ärztlichen Attesten bestehe zwar keine Aplasie (ausgebliebene Entwicklung) der rechten Brust, da diese sich deutlich von der Thoraxwand abhebe und nach den Angaben des behandelnden Gynäkologen auch Drüsengewebe tastbar sei. Die vorhandene Asymmetrie könne durch die vorhandene Prothese so ausgeglichen werden, dass sie auch in einem Badeanzug von Dritten nicht zu bemerken sei. Da bei der 15jährigen Klägerin die hormonelle Umstellung noch nicht abgeschlossen sei, könne sich die Brustform noch verändern, weshalb nach einer Brustoperation weitere Folgeoperationen erforderlich werden könnten. Die psychischen Beeinträchtigungen rechtfertigten eine Operation nicht. Unter Hinweis hierauf lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 17.3.2004 und Widerspruchsbescheid vom 31.8.2004, per Einschreiben/Rückschein zur Post gegeben am 3.9.2004, ab.

Die Klägerin hat die Brustoperation im Mai bis August 2004 durch Prof. Dr. J durchführen lassen. Die behandelnden Ärzte stellten hierfür Pauschalhonorare von 4100 €, das Krankenhaus Tagessätze in Höhe von (2 x 271,25 € =) 542,50 € (insgesamt 4642,50 €) in Rechnung, die von der Klägerin bzw. ihren Eltern bezahlt wurden. Soweit die Eltern die Rechnungen bezahlt haben, haben sie ihre Forderungen an die Klägerin abgetreten.

Die am 4.10.2004 erhobene, und auf die Aufhebung der ablehnenden Bescheide sowie die Erstattung der Behandlungskosten zuzüglich Fahrkosten in Höhe von 677,60 € gerichtete Klage hat das Sozialgericht Koblenz nach Einholung von Befundunterlagen von Dr. Z und Prof. Dr. J mit Urteil vom 28.9.2006 abgewiesen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18.10.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.11.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt im Wesentlichen vor, bei ihrer rechten Brust habe eine Aplasie vorgelegen, die als Krankheit und Entstellung zu werten sei. Das ergebe sich bereits aus der Größe des eingebrachten Implantats von 350 qcm. Bei der üblichen figurbetonten eng anliegenden Kleidung sei der Größenunterschied auch bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen im Vorbeigehen überdeutlich bemerkbar gewesen. Die Verweigerung der Kostenübernahme verstoße auch gegen den Gleichheitssatz, da die Krankenkassen bei Brustkrebspatienten die Kosten für den plastischen Wiederaufbau einer amputierten Brust regelmäßig übernähmen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.9.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.8.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Operation der rechten Brust im Jahre 2004 in Höhe von 4642,50 € zuzüglich Fahrkosten in Höhe von 677,60 € abzüglich Zuzahlungen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutref...

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