Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Voraussetzungen für Kostenübernahme von Fahrkosten bei ambulanter Behandlung seit 1.1.2004. Verfassungsmäßigkeit. Krankentransport-Richtlinien. Ausnahmefälle für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung. Behandlungsfrequenz

 

Orientierungssatz

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass eine Krankenkasse Fahrkosten zur ambulanten Behandlung ab Januar 2004 nur zu übernehmen hat, wenn Versicherte krankheitsbedingt mit hoher Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum behandelt werden und ihre Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist (vgl BSG vom 26.9.2006 - B 1 KR 20/05 R = SozR 4-2500 § 60 Nr 1).

2. Auch wenn die erforderliche Behandlungshäufigkeit iS von § 8 Abs 2 KrTRL unterschiedlich ist und in einzelnen Fällen bei den aufgezählten Therapien auch eine höhere Frequenz in Betracht kommen mag, erscheint es angemessen, ausgehend von der regelmäßigen Behandlungshäufigkeit eine Therapiedichte von mindestens zwei mal pro Woche zu fordern.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.07.2008; Aktenzeichen B 1 KR 27/07 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Fahrkosten für Fahrten zu einer ambulanten einmal wöchentlich durchzuführenden LDL-Apheresebehandlung sowie die Übernahme von Fahrkosten als Sachleistung.

Die 1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Unter Vorlage eines Attests der Gemeinschaftspraxis Dres. H/A I, vom 29.01.2004 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Fahrten zu einer wöchentlichen LDL-Apheresetherapie. In dem Attest wurde ausgeführt, die Klägerin leide an einer schwersten familiären Fettstoffwechselerkrankung mit der Folge einer koronaren Herzerkrankung. Ihr Gesundheitszustand sei derzeitig ausschließlich durch eine wöchentliche LDL-Apheresetherapie zu stabilisieren, die ebenso wie eine Dialysebehandlung im Kern eine Blutwäsche beinhalte. Die Klägerin werde dabei an beiden Oberarmen punktiert und müsse während der Behandlungszeiten ca. 1,5 Stunden unbeweglich sitzen. Während der Behandlung werde die Blutgerinnung stark verändert, so dass sie für mehrere Stunden nach der Behandlung vermehrt blutungsgefährdet sei. Aus diesem Grund empfehle es sich, dass die Klägerin von einer Begleitperson zur Behandlung gebracht und wieder nach Hause zurückgefahren werde. Von der Beeinträchtigung des Organismus her sei die gesamte Behandlung durchaus mit einer Dialysetherapie zu vergleichen. Mit Schreiben vom 17.02.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Kosten für die Fahrten mit einem Pkw würden übernommen. Für Januar und Februar 2004 erfolgte sodann eine Kostenerstattung.

Mit Schreiben vom 18.03.2004 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die Zukunft mit der Begründung ab, nach der Gesundheitsreform könnten Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur in ganz wenigen Ausnahmefällen übernommen werden. Erforderlich sei, dass eine Gefährdung für das Leben bestehe und die Behandlung mindestens zweimal in der Woche erforderlich sei. Die Klägerin legte ein Attest der Gemeinschaftspraxis Dres. H/A vom 03.05.2004 vor, die angab, durch die wöchentliche Therapie habe der Prozess der koronaren Herzerkrankung der Klägerin weitgehend verhindert werden können. Es werde um Überprüfung gebeten, ob die Klägerin bezüglich ihrer Fahrkosten unterstützt werden könne. Mit Bescheid vom 10.12.2004 und Widerspruchsbescheid vom 09.05.2005 lehnte die Beklagte die Erstattung bzw. Übernahme der beantragten Fahrkosten mit Hinweis auf die Krankentransport-Richtlinien (KT-RI) des Gemeinsamen Bundesausschusses ab.

Die hiergegen am 09.06.2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz durch Urteil vom 28.11.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KT-RI sei Voraussetzung für die beantragte Kostenerstattung, dass die Therapie eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise und dass die Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtige, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Vorliegend könne dahingestellt bleiben, ob eine hohe Behandlungsfrequenz in diesem Sinne gegeben sei, denn es fehle schon an der zwingenden medizinischen Notwendigkeit des Krankentransports. Die Gemeinschaftspraxis Dres. H/A habe lediglich ausgeführt, es empfehle sich, dass die Klägerin von einer Begleitperson zur Behandlung und wieder nach Hause gebracht werde.

Gegen das ihr am 08.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.03.2007 Berufung eingelegt. Sie hat eine Stellungnahme des Dr. H vom 15.03.2007 vorgelegt, in der ausgeführt wird, zusätzlich zu den vorhandenen chronischen Erkrankungen habe sich ein Diabetes mellitus entwickelt, der die Multimorbidität der Klägerin noch vermehre. Sie werde derzeit alle fünf Tage behandelt. Die Einrichtung sei für die Behandlung in besonderer Weise geeignet, da es sich um ein Dialysezentrum mit erheblicher Erfahrung mit extrakor...

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