Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 bei falscher Krankenhausabrechnung ohne Minderung des Abrechnungsbetrages

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 ist auch dann zu zahlen, wenn die Abrechnung der Krankenhausbehandlung zwar falsch war, die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung jedoch nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen B 1 KR 1/10 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.9.2008 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte Zinsen nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 24.9.2007 zu zahlen hat.

2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetz (SGB V) auch in Fällen zu zahlen ist, in denen die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ergeben hat, dass der Abrechnung eine falsche Kodierung zugrunde lag, die richtige Kodierung aber nicht zu einer Änderung des Rechnungsbetrags führte.

Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses, in dem eine bei der Beklagten Versicherte im Mai 2007 stationär behandelt worden war. Die von der Beklagten veranlasste Prüfung der Abrechnung der Klägerin für den Behandlungsfall durch den MDK ergab, dass die Hauptdiagnose vom Krankenhaus nicht korrekt kodiert worden war. Eine Änderung des Rechnungsbetrags ergab sich aus der korrigierten Kodierung nicht. Die von der Klägerin verlangte Aufwandspauschale in Höhe von 100 € zahlte die Beklagte nicht mit der Begründung, bei der Prüfung sei eine falsche Abrechnung festgestellt worden; in einem solchen Fall bestehe kein Anspruch auf die Aufwandspauschale. Auf die Zahlungsklage der Klägerin hat das Sozialgericht Koblenz mit Urteil vom 24.9.2008 die Beklagte verurteilt, 100 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Gegen das ihr am 10.10.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.10.2008 die vom Sozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es sei zweifelhaft, ob in Fällen wie dem vorliegenden die Voraussetzungen für die Aufwandspauschale überhaupt erfüllt seien. Nach § 301 Abs. 1 SGB V seien die Krankenhäuser verpflichtet, den Krankenkassen u.a. die Hauptdiagnosen zu übermitteln. Dabei habe der Gesetzgeber vorausgesetzt, dass die Hauptdiagnosen richtig übermittelt werden müssen. Es erscheine deshalb ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine Aufwandspauschale auch für Fälle gewollt habe, in denen eine Einzelfallprüfung durch den MDK durch eine fehlerhafte Angabe des Krankenhauses verursacht worden sei, aber nicht zur Minderung des Rechnungsbetrags geführt habe. Jedenfalls stehe der Geltendmachung des Anspruchs der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Die Klägerin habe durch Angabe einer falschen Diagnose die Beklagte bei der Abrechnungsprüfung in die Irre geleitet. Es sei treuwidrig, wenn die Klägerin aus ihrem Fehlverhalten Vorteile ziehe. Das Verhalten der Klägerin verstoße auch gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens - venire contra factum proprium -. Mit der Angabe der falschen Diagnose habe die Klägerin eine Sach- und Rechtslage geschaffen, auf deren Richtigkeit die Beklagte bei der Beauftragung des MDK habe vertrauen dürfen. Dieser Vertrauensschutz würde entfallen, wenn die Klägerin trotz der unrichtigen Angaben berechtigt wäre, die Aufwandspauschale geltend zu machen. Es widerspreche Treu und Glauben, wenn die Klägerin trotz ihrer eigenen Pflichtverletzung Rechte gegenüber der Beklagten geltend mache.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.9.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass Zinsen nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen sind.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie habe sich nicht widersprüchlich verhalten. Mit der von ihr erstellten Rechnung sei lediglich ein Vertrauenstatbestand dahin geschaffen worden, dass der Abrechnungsbetrag richtig sei. Dieses Vertrauen sei durch die unrichtige Kodierung nicht enttäuscht worden.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war.

 

Entscheidungsgründe

Die auf Grund der Zulassung durch das Sozialgericht statthafte (§ 144 Abs. 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung ...

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