Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Beitragssatz. Beitragszuschlag für Kinderlose verfassungsgemäß

 

Orientierungssatz

Die Entscheidung des Gesetzgebers, einen Beitragszuschlag für Kinderlose zu erheben (§ 55 Abs 3 S 1 und S 7 SGB 11), ist als typisierende und generalisierende Regelung mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.02.2008; Aktenzeichen B 12 P 1/07 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der von der Klägerin zu zahlenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung.

Die ... 1926 geborene Klägerin bezieht eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Von dem Rentenbetrag werden 1,7 % (7,41 €) monatlich für den Pflegeversicherungsbeitrag in Abzug gebracht. Nachdem die Klägerin eine Klage gegen den Rentenversicherungsträger zurückgenommen hatte, beantragte sie bei der Beklagten die Herabsetzung ihres Pflegeversicherungsbeitrages mit Wirkung vom 01.01.2005 und machte geltend, sie habe fünf Kinder geboren und erzogen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.08.2006 ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, ihr Beitrag zur Pflegeversicherung müsse pro Kind um 1,09 €, insgesamt also um 5,45 €, ermäßigt werden und sei daher auf 1,96 € festzusetzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen Beitragsabschlag auf Grund der Erziehung von fünf Kindern. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Urteil vom 03.04.2001 dem Gesetzgeber aufgegeben, eine Regelung zu treffen, die Versicherte mit Kindern gegenüber Kinderlosen beitragsmäßig besser stelle. Daraufhin sei das Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinderberücksichtigungsgesetz - KiBG -) beschlossen worden. Nach dem auf Grund dieses Gesetzes neu eingefügten § 55 Abs 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) würden kinderlose Versicherte, die das dreiundzwanzigste Lebensjahr vollendet hätten, an den Kosten für die Pflegeversicherung mit 0,25 % der beitragspflichtigen Einnahmen zusätzlich beteiligt. Für eine Ermäßigung des Beitrages gebe es keine Rechtsgrundlage.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2006 Klage erhoben und unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Deutschen Bundesrates geltend gemacht, die gesetzliche Regelung, wonach kinderlose Versicherte, die vor dem 01.01.1940 geboren seien, von der erhöhten Beitragspflicht ausgenommen seien, sei durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt. Durch Urteil vom 30.11.2006 hat das Sozialgericht (SG) Trier die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gemäß § 55 SGB XI Beiträge nach einem Beitragssatz von 1,7 % an die Beklagte zu entrichten. Es beständen keine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit dieser Norm. Die Einführung des Beitragszuschlages für kinderlose Versicherte werde den Forderungen des BVerfG gerecht. Auch die Entscheidung des Gesetzgebers, die Geburtsjahrgänge vor 1940 von der Beitragszuschlagspflicht auszunehmen, entspreche den Ausführungen des BVerfG. Danach könne die Benachteiligung der beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die jeweils der Generation der Beitragszahler angehörten, vom Gesetzgeber solange vernachlässigt werden, wie eine deutliche Mehrheit der Versicherten Erziehungsleistungen erbracht habe. Die Kinderzahlen seien zu einer Zeit zurückgegangen, als die nach 1940 geborenen Jahrgänge etwa Mitte zwanzig oder jünger gewesen seien. Deswegen sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die bis 1940 geborenen Jahrgänge noch in so ausreichendem Maße Kinder geboren und erzogen hätten, dass sich das Ausgleichserfordernis noch nicht gestellt habe.

Gegen das ihr am 16.12.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.12.2006 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das BVerfG habe nie daran gedacht, die vor dem 01.01.1940 geborenen Frauen von der Beitragssenkung auszuschließen. Aus den zitierten Urteilen ergebe sich eindeutig, dass im Jahr 2001 eine Generalisierung nur möglich gewesen wäre, wenn die Verhältnisse der "mitsechziger" Jahre bis 2001 fortbestanden hätten. Durch ihre Erziehungsleistung habe sie ihre ersten Pflichtbeiträge erst 1976 gezahlt und habe somit immer in Konkurrenz mit Müttern gestanden, die ihre Kinder ab dem Jahr 1965 geboren hätten. An ihrem Beispiel sehe man, welchen Wert der Staat der Kindererziehung zumesse. Der Bundesrat habe sich dahingehend geäußert, dass die Befreiung von der erhöhten Beitragspflicht für die vor 1940 geborenen Kinderlosen durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 30.11.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2006 aufzuheben, den Beitrag zur Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01.01.2005 auf 1,96 € monatlich festzusetzen, die z...

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