Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Höhe der Verletztenrente. Neufeststellung des JAV gem § 90 Abs 2 SGB 7. zugrunde zulegendes Arbeitsentgelt. Ausbildungsabschuss: Master und Doktor. Eingruppierung: höherer Dienst. Tätigkeitsmerkmale gem BAT § 22. Mindeststudienzeit. Konkurrenzverhältnis zwischen § 90 Abs 1 und Abs 2 SGB 7

 

Orientierungssatz

1. § 90 Abs 2 SGB 7 enthält eine gegenüber § 90 Abs 1 S 1 SGB 7 unabhängige und eigenständige Regelung. Anders als im Fall des § 90 Abs 3 SGB 7 hat der Gesetzgeber in § 90 Abs 2 SGB 7 durch die Gesetzesformulierung auch nicht zu erkennen gegeben, dass § 90 Abs 2 auf § 90 Abs 1 SGB 7 aufbaut. Anzuwenden ist somit die Vorschrift, die nach Durchführung einer Vergleichsberechnung zu einem höheren JAV führt.

2. Im Gegensatz zu § 90 Abs 1 SGB 7 können nach Abs 2 dieser Bestimmung je nach Abstufungen von Lebensalter und Berufsjahren bis zum Erreichen des Höchstalters mehrere Neufestsetzungen erforderlich werden. Damit soll verhindert werden, dass für Berufsanfänger das typischerweise niedrigere Anfangsentgelt auf Dauer für die Berechnung von Geldleistungen herangezogen wird.

3. Zur Neufeststellung des JAV gem § 90 Abs 2 SGB 7 einer im Rahmen des Hochschulsports verunglückten unter 30-jährigen Studentin mit einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung innerhalb der Regelstudienzeit.

 

Normenkette

SGB VII § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3, §§ 212, 214 Abs. 2 S. 1, § 82 Abs. 1 S. 1, § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; RVO § 573 Abs. 2; UVEG Art. 35 Nr. 1, Art. 36 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.12.2013; Aktenzeichen B 2 U 5/13 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.12.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte der Klägerin höhere Verletztenrente unter Zugrundelegung eines JAV nach BAT IIa zu gewähren hat.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) als Grundlage für die Berechnung der Verletztenrente der Klägerin.

Die 1974 geborene Klägerin erlitt am 17.04.1996 als Studentin der Universität K. im Rahmen des Hochschulsports einen Sportunfall, bei dem sie sich eine Verletzung des rechten Kniegelenks zuzog.

In einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Speyer (S 15 U 69/04) erkannte die Beklagte an, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17.04.1996 (wieder) eine Verletztenrente ab dem 18.04.2005 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v. H. zu gewähren. Das Teil-Anerkenntnis führte die Beklagte im Bescheid über eine Rente auf unbestimmte Zeit vom 20.01.2006 aus und legte hierbei einen Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 16.576,22 € zu Grunde. Hierbei handelte es sich um den Mindestjahresarbeitsverdienst.

Am 31.01.2006 bat die Beklagte die Klägerin zwecks Überprüfung des Jahresarbeitsverdienstes nach Abschluss der Schul- bzw. Berufsausbildung um eine chronologische Aufstellung des bisherigen schulischen und beruflichen Werdeganges und Übersendung von Kopien der Abschlusszeugnisse/Diplome sowie ggf. auch des Arbeitsvertrages. Die Klägerin übersandte daraufhin zunächst eine Übersicht über ihre beruflichen Tätigkeiten von Oktober 2003 bis November 2005. In dieser Zeit hatte sie Lehraufträge in Mathematik und war als Übungsgruppenleiterin sowie Übersetzerin tätig.

Auf Nachfrage der Beklagten zum Ablauf des Studiums erklärte die Klägerin, dass sie im Herbst 1993 das Studium der Mathematik mit Nebenfach Informatik an der Universität K. mit dem Ziel aufgenommen habe, Diplom-Mathematikerin zu werden. Sie habe sich eine Laufbahn in der Wirtschaft vorgestellt und deshalb ab dem Wintersemester 1995/96 zusätzlich Wirtschaftswissenschaften als zweites Nebenfach belegt. Im Frühjahr 1996 habe sie die Diplom-Vorprüfung erfolgreich abgeschlossen. Sie habe sich zu diesem Zeitpunkt schon um die Teilnahme an einem Austauschprogramm beworben und die Absicht gehabt, im Wintersemester 1996/97 in Norwegen zu studieren. Danach sei ein Weiterstudium in K. mit dem Erwerb des Diploms geplant gewesen. Der Unfall von April 1996 habe diese Pläne zunichte gemacht. Aufgrund der Operationen am Knie habe sie auf den Studienaufenthalt in Norwegen verzichten müssen. Sie habe dann jedoch noch einen Studienplatz für ein Postgraduiertenstudium in Mathematik an der Universität S., S., als Selbstzahlerin erhalten. Nachdem sie bereits das Studium in Schottland nach einem Jahr mit dem akademischen Grad "Master of Science" habe abschließen können, habe sie sich in Deutschland erkundigt, ob sie noch ein Diplom erwerben solle. Bei der Studienberatung an den Universitäten K., M. und K. habe man ihr geraten, keinen zusätzlichen Diplomabschluss anzustreben, sondern gleich eine Promotion, wobei man sie auf die weltweite wissenschaftliche Reputation der schottischen Universitäten in S. und in E. hingewiesen habe. Anschließend habe sie daher a...

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