Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenhausarzt. Vorliegen des Überweisungsscheines vor Beginn der Behandlung. Ausnahmefall

 

Orientierungssatz

1. Nach den bundesmanteltariflichen Vorschriften muss der Überweisungsschein, der naturgemäß die Schriftform voraussetzt, vor Beginn der Behandlung vorliegen. Wenn der Patient einen bereits vorhandenen Überweisungsschein vergessen oder verloren hat, darf ein ermächtigter Arzt die Behandlung nicht beginnen .

2. Eine Überweisung vor Vorlage der Krankenversicherungskarte ist allerdings "in besonderen Ausnahmefällen" gestattet. Ein besonderer Ausnahmefall liegt vor, wenn die zu veranlassende Maßnahmen dringend erforderlich sind; in solchen Ausnahmefällen kann ein Überweisungsschein nicht ausgestellt werden (vgl BSG vom 22.6.2005 - B 5 KA 19/04 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 19) .

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides der früheren Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Pfalz (eine Rechtsvorgängerin der Beklagten; im Folgenden Beklagte), mit dem diese eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung des Klägers hinsichtlich der Abrechnungsquartale III/1998 bis I/2002 vorgenommen hat.

Der Kläger ist Anästhesist und Chefarzt für Anästhesiologie am Krankenhaus "Z" in L. Er war während des genannten Zeitraums als Krankenhausarzt zur Erbringung verschiedener vertragsärztlicher Leistungen auf Überweisung ermächtigt und praktiziert in den gleichen Räumen wie seine Ehefrau, die ebenfalls Schmerztherapeutin ist. Mit Bescheid vom 12.12.2002 und Widerspruchsbescheid vom 17.6.2003 verfügte die Beklagte, dass beim Kläger hinsichtlich der Quartale III/1998 bis I/2002 alle Leistungen aus der Abrechnung zu streichen seien, die vor dem Gültigkeitsdatum der jeweiligen Überweisung erbracht worden waren. Außerdem führte die Beklagte an, es hätten sich zwei Fälle gefunden, die in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zur Abrechnung gebracht worden seien, obwohl sie nur einmal abrechenbar gewesen seien. Dadurch ergab sich insgesamt ein Kürzungsbetrag von 42.166,48 €.

Am 17.7.2003 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Naturgemäß stamme der größte Teil der an ihn überwiesenen Patienten aus der Praxis seiner Ehefrau. Während diese vornehmlich konservativ und naturheilkundlich tätig sei, führe er als einziger Arzt im Versorgungsgebiet der früheren KÄV Pfalz Schmerzpumpenimplantationen, thorakale und zervikale Periduralanästhesien uÄ durch. Die von seiner Ehefrau überwiesenen Patienten seien schon zu Behandlungsbeginn Gegenstand permanenter und intensiver Konsultationen, in denen die Art der Behandlung festgelegt werde. In den Quartalen III/1998 bis I/2002 sei es vorgekommen, dass die Überweisungsscheine nicht sofort mit dem Datumsstempel des Erstkontaktes bzw der ersten Befassung mit dem Patienten versehen worden seien. In diesen Fällen sei eine mündliche Überweisung vor Beginn seiner Tätigkeit erfolgt. Eine solche sei nach seiner Auffassung wirksam. Die schriftliche Überweisung sei dann nachgeholt worden. In einer Reihe von Fällen habe es sich um schmerzgeplagte Dauerpatienten und Notfallpatienten sowie Patienten, die Opiate erhalten hätten und auf die Kontinuität der Behandlung unbedingt angewiesen gewesen seien, gehandelt, die man nicht deshalb nach Hause habe schicken können, weil sie keine Überweisung vorgelegt hätten. Teilweise hätten Patienten Überweisungsscheine vergessen oder verloren. Auf das Erfordernis des richtigen Datums der Überweisung sei er vor dem zweiten Quartal 2002 von der Beklagten nicht hingewiesen worden. Er habe festgestellt, dass die Beklagte in einigen näher bezeichneten Fällen (Versicherte H F, H W, F L, F T; vgl S 5 des Schriftsatzes vom 16.7.2003) zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass eine vorherige Überweisung nicht vorgelegen habe; in diesen Fällen habe sich herausgestellt, dass das Datum des Überweisungsscheins nicht mit der Computeraufstellung der Beklagten übereinstimme.

Die Beklagte hat vorgetragen: In 44 der 78 erfassten Fälle handele es sich um Überweisungen aus der Praxis der Ehefrau des Klägers. Zu den vom Kläger auf Seite 5 seines Schriftsatzes vom 16.7.2003 aufgeführten Fällen sei einzuwenden, dass dieser seit dem 1. Quartal 1995 über Datenträger mit ihr abrechne. Bei dieser Verfahrensweise würden ihr nicht die Überweisungsscheine vorgelegt, sondern es werde das jeweilige Datum des Überweisungsscheins als Ausstellungsdatum in der Praxis des abrechnenden Arztes angegeben. Hierbei auftretende Fehler seien vom Arzt zu verantworten.

Durch Urteil vom 16.2.2005 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Überweisung habe gemäß § 24 Abs 2 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 27 Abs 2 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) auf einem Überweisungsschein schriftlich erfolgen müssen. Dies bedeute, dass dem ausführenden Arzt die schriftliche Überweisung spätestens zum Zeitpunkt der Leistungserbringung habe vorliegen müssen. Bei allen hier betr...

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