Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Neufestsetzung des JAV gem § 90 SGB 7. zugrunde zu legendes Arbeitsentgelt. branchenspezifischer Tarifvertrag des Ausbildungsbetriebes. Fachinformatiker-Anwendungsentwicklung

 

Orientierungssatz

Bei dem im Rahmen der Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes gem § 90 Abs 1 SGB 7 zugrunde zu legenden Arbeitsentgelt ist der für den am Tag nach dem Ausbildungsende für den Ausbildungsbetrieb geltende branchenspezifische Tarifvertrag maßgeblich. Hierauf ist auch dann abzustellen, wenn der Versicherte nach dem Ausbildungsende aus dem Unternehmen ausscheidet, um ein Studium aufzunehmen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherte im Ausbildungsunternehmen eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit hätte aufnehmen können. Für die ausnahmslose Anknüpfung an den für das Ausbildungsunternehmen seiner Art nach geltenden Tarifvertrag sprechen insbesondere Sinn und Zweck des § 90 SGB 7.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen B 2 U 11/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. März 2009 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

Der 1978 geborene Kläger wurde am 25.09.1986 auf dem Heimweg von der Schule von einem Lkw angefahren und zog sich dadurch erhebliche Verletzungen zu. Der Rheinische Gemeindeunfallversicherungsverband (GUV) erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger eine Verletztenrente. Als JAV wurden der Rentenberechnung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers 40 v.H. und danach 60 v.H. der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebenden Bezugsgröße zugrundegelegt.

Vom 01.07.1997 bis 15.06.2000 absolvierte der Kläger bei der J J.-Zentrum S./N. GmbH eine Ausbildung zum Fachinformatiker - Fachrichtung Anwendungsentwicklung, die er erfolgreich abschloss. Nach dem Ende der Ausbildung schied der Kläger aus dem Unternehmen aus und nahm ein Informatikstudium auf. Der Rheinische GUV holte Auskünfte des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels ein. Auf die Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23.10.2001 und 14.06.2002 sowie auf das Schreiben des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels vom 24.11.2003 wird Bezug genommen. Mit Bescheid vom 04.06.2004 erteilte der Rheinische GUV einen Bescheid über die Erhöhung des JAV gemäß § 90 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII): Ab dem 16.06.2000 werde der JAV, welcher der Rente zugrundeliege, gemäß § 90 Abs. 1 SGB VII auf 21.381,09 EUR festgesetzt. Die Rentenerhöhung auf Grundlage des neuen JAV erfolge ab dem 01.07.2000. In seiner Begründung führte der Rheinische GUV aus, die Neuberechnung des JAV erfolge auf Grundlage des Verdienstes eines Datenverarbeitungskaufmanns - Fachrichtung Fachinformatiker. Der Kläger erhob Widerspruch. Er machte geltend: Die vom Rheinischen GUV zur Ermittlung des JAV zugrundegelegte Berufsbezeichnung entspreche nicht dem von ihm erreichten Abschluss. Die Bezeichnung seines Berufsabschlusses sei "Fachinformatiker - Anwendungsentwicklung" und lege damit den Schwerpunkt klar in den technischen Bereich der Entwicklung und Konzeption von Software. Außerdem stimme der vom Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen ermittelte wirtschaftliche Schwerpunkt seines Ausbildungsbetriebes nicht mit dem diesbezüglichen Stand während seiner Lehrzeit von 1997 bis 2000 überein. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren offenbar seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt etwas mehr in Richtung des Vertriebes von Waren verlagert. Allein schon die Unternehmenspräsentation der J S.-N. GmbH im Text seines Arbeitszeugnisses belege jedoch den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Lehrbetriebes zum Zeitpunkt des Abschlusses seiner Lehrzeit. Unabhängig davon habe er die zweite Hälfte seiner Lehrzeit intensiv in die gestützte Betreuung und Weiterentwicklung der unternehmenseigenen Software "D ..IN" der J S.-N. GmbH investiert; in der übrigen Zeit sei er hauptsächlich in die Administration und Betreuung von Netzwerksystemen und Anwendungssoftware einbezogen gewesen. Der Vertrieb von Waren habe dagegen vollständig außerhalb der ihm im Betrieb vermittelten Kenntnisse gelegen. Aus den von dem Rheinischen GUV zugrundegelegten tariflichen Daten resultiere ein für Fachinformatiker mit der Fachrichtung Anwendungsentwicklung überproportional niedriger JAV. Zur Stützung seines Vorbringens hat der Kläger Auszüge aus der Broschüre "Entgelt in der IT-Branche-2004" der IG-Metall und einen Bericht aus der Ausgabe 6/2004 der Computerzeitung c‚t vorgelegt. Der Rheinische GUV bat daraufhin die J S.-N. GmbH um Mitteil...

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