Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherung. Verletztenrente. Zugunstenverfahren gem § 44 Abs 1 SGB 10. Nichtvorliegen weiterer Unfallfolgen. keine MdE in rentenberechtigender Höhe. posttraumatische Belastungsstörung. Höhenangst im Sinne einer spezifischen Phobie

 

Orientierungssatz

1. Zum Nichtvorliegen eines im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens geltend gemachten Anspruchs auf Verletztenrente gem § 56 SGB 7 mangels Vorliegens weiterer Unfallfolgen (hier: eine Posttraumatische Belastungsstörung).

2. Die beim Versicherten festgestellte Unfallfolge "Höhenangst im Sinne einer spezifischen Phobie" ist mit einer MdE unter 10 vH einzuschätzen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente.

Der am 00.00.1978 geborene Kläger stürzte am 14.11.2007 während seiner Tätigkeit als Gerüstbauhelfer aus einer Höhe von vier Metern von einem Gerüst. In dem Durchgangsarztbericht vom 28.11.2007 wurde festgehalten, dass der Kläger nach den Angaben des erstversorgenden Notarztes somnolent gewesen, er habe jedoch alle vier Extremitäten bewegen können. Bei dem schon am Unfallort intubierten Kläger wurde eine Schädelkalottenfraktur mit Subarachnoidalblutung, eine Kopfplatzwunde occipital sowie eine perilunäre Luxation an der rechten Handwurzel diagnostiziert. Im Anschluss an die stationäre Behandlung im Krankenhaus N vom 14.11.2007 bis 06.12.2007 wurden diese Diagnosen bestätigt. In dem Entlassungsbericht des Krankenhauses N vom 06.12.2007 war außerdem auf ein bekanntes Alkoholproblem in der Vorgeschichte hingewiesen worden. Das MRT des Schädels vom 22.11.2007 zeigte ein kleines epidurales Hämatom rechts temporal und eine oberflächliche Kontusionsblutungen rechts mit Subduralhämatomanteilen. Während der stationären Behandlung erfolgte auch die operative Versorgung der rechten Hand (geschlossene Reposition, K-Draht-Osteosynthese).

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Dr. A ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. In dem Gutachten vom 20.04.2008 führte Dr. A aus, der Kläger habe bei der Untersuchung berichtet, er stamme aus schwierigen Familienverhältnissen und habe eine belastete Kindheit und Jugend hinter sich. Seine Eltern hätten sich getrennt, als er 12 Jahre alt gewesen sei, er sei daraufhin ins Kinderheim gekommen. Er habe damals einen großen Teil seines Vertrauens in die Menschheit verloren. An das Unfallereignis und den Transport ins Krankenhaus habe er sich zunächst nicht erinnern können. Das Gedächtnis sei erst während des Krankenhausaufenthaltes langsam, mit gewissen Lücken, wieder gekommen. Danach habe er Ängste und Albträume bekommen. Er habe auch andere Ängste bemerkt. Er fühle sich z.B. in Aufzügen, Menschenansammlungen oder in einem vollen Treppenhaus schlecht und panisch. Schon die Vorstellung, auf eine Leiter zu klettern, löse bei ihm ein starkes Unwohlsein aus. Für ihn selbst sei aber das Handgelenk das Hauptproblem. Er könne dies zwar nach der Metallentfernung Ende Januar wieder besser bewegen, er habe aber noch störende Restschmerzen. Er habe phasenweise Probleme mit Alkohol gehabt, deshalb habe er auch seinen Führerschein verloren (1,6 Promille), den er erst im August 2008 wieder bekomme. Dr. A stellte an Unfallfolgen einen Zustand nach Schädelhirntrauma mit Kalottenfraktur rechts temporal und kleiner Subarachnoidalblutung im rechten Schläfenlappen sowie kleinem Subduralhämatom occipital und eine Commotio cerebri mit schrittweiser Symptomrückbildung, mittlerweile ohne bleibende Restsymptome aus organisch neurologischer Sicht, und eine posttraumatische Entwicklung eines phobischen Syndroms mit stark ausgeprägten Höhenängsten sowie Teilsymptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) fest. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 10 v.H. Unfallunabhängig diagnostizierte Dr. A einen anamnestisch wiederkehrenden episodischen Alkoholabusus ohne Zeichen einer Abhängigkeit, derzeit Alkoholabstinenz.

Auf Anregung des Dr. R war der Kläger dann anschließend in psychotherapeutischer Behandlung, zunächst ambulant und schließlich im September 2008 stationär in der Psychosomatischen Klinik des S-Hospitals K. In dem Abschlussbericht dieser Klinik wurde ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich zwar leicht gebessert, er sei vor dem Hintergrund einer PTBS aber nicht in der Lage, über Brücken zu gehen, an einem Baugerüst vorbeizugehen oder aus Höhen hinabzuschauen. Auch ab Januar war der Kläger wieder ohne durchgreifenden Erfolg ambulant in psychotherapeutischer Behandlung.

Am 20.12.2008 führte der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. F von der Neurologischen Klinik und Poliklinik des C-Krankenhauses M, nach einer Untersuchung de...

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