Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Verwertung eines Hausgrundstücks bei beantragten Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Hausgrundstück handelt es sich grundsätzlich um kein Schonvermögen i. S. von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB 2, sondern um verwertbares Vermögen. Übersteigt der Verkehrswert nach Abzug dinglich gesicherter Forderungen den Freibetrag, so handelt es sich bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung um einzusetzendes verwertbares Vermögen.

2. Ein Aspekt der Verwertbarkeit des Hausgrundstücks ist die dafür benötigte Zeit. Für sachgerechte Verkaufsbemühungen ist ein Zeitraum von sechs Monaten angemessen.

3. Ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe ist nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

4. Für einen Vierpersonenhaushalt ist eine Wohnfläche von 130 qm, für einen Dreipersonenhaushalt eine solche von 130 qm, für einen Zweipersonenhaushalt eine Wohnfläche von 90 qm angemessen.

5. Die Verwertung des Hausgrundstücks ist dann nicht unwirtschaftlich i. S. von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2, wenn der auf dem Markt erzielbare Wert in einem deutlichen Missverhältnis zum Substanzwert eines Vermögensgegenstandes steht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.08.2019; Aktenzeichen B 14 AS 256/19 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24.01.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Kläger sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 17.05.2006 bis 28.02.2007 als Zuschuss.

Der am 00.00.1956 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1957 geborene Klägerin zu 2) sind verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, die am 00.00.1986 geborene Tochter O und den am 00.00.1988 geborenen Sohn G.

Im Jahr 1996 erwarben die Kläger das Hausgrundstück F 00, H je zur Hälfte. Der Kaufpreis betrug 380.000.00 DM. Die Grundstücksfläche beträgt 597qm. In dem Haus befinden sich zwei Wohnungen. Die Erdgeschoßwohnung verfügt über eine Wohnfläche von 117 qm, die Dachgeschoßwohnung über eine Wohnfläche von 54 qm sowie der Außenflur über eine Fläche von 7,6 qm. Am 29.08.2005 erteilte die Stadt H eine Abgeschlossenheitserklärung für die Dachgeschoßwohnung. In dem Einheitswertbescheid des Finanzamt B vom 27.05.1997 betreffend das Grundstück, F 00 wird als Grundstücksart "Zweifamilienhaus" festgestellt.

Nach Einschätzung des Gutachterausschusses für den Kreis C aus Oktober 2005 beläuft sich der Verkehrswert für das Hausgrundstück auf ca. 187.000,00 Euro (220.430,00 Euro abzüglich 15% unter Berücksichtigung des Risikos der Vermarktbarkeit). Auf dem Grundstück lastet eine Grundschuld i.H.v. 250.000,00 DM zu Gunsten der Spar- und Darlehenskasse H e.G. Ein Darlehen der Kläger bei der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank belief sich zum 31.03.2005 auf 79.596,47 Euro. Der Tilgungsplan sah vor, dass das Darlehn monatlich mit 1,0000% getilgt wird. Die im Tilgungsplan ausgewiesenen Tilgungsbeträge bis zum 30.06.2005 beliefen sich auf unter 100,00 Euro monatlich. Im März 2004 nahmen die Kläger von Privatpersonen zwei weitere Darlehen i.H.v. 20.451,68 Euro und i.H.v. 10.225,84 Euro mit einer Laufzeit bis zum 30.03.2014 auf. Die Darlehen waren bis zum 30.03.2014 nicht zu tilgen.

Die Kläger bewohnten zusammen mit ihren beiden Kindern die Erdgeschoßwohnung. In der Zeit ab dem 01.04.2005 vermieteten die Kläger die Dachgeschoßwohnung gegen eine Bruttokaltmiete von 255,00 Euro (200,00 Euro Grundmiete + 55,00 Euro Betriebskostenvorschuss) und ab dem 01.03.2006 gegen eine Bruttokaltmiete von 200,00 Euro monatlich (145,00 Euro Grundmiete + 55,00 Euro Betriebskostenvorschuss). Die Tochter O zog zum 01.03.2006 aus der Erdgeschoßwohnung aus. Zum 01.08.2006 schlossen die Kläger mit ihrer Tochter O einen Mietvertrag über die Dachgeschoßwohnung ab. Die Bruttokaltmiete belief sich auf insgesamt 200,00 Euro monatlich (145,00 Euro Grundmiete + 55,00 Euro Betriebskostenvorschuss). Ab dem 01.11.2006 vermietete die Tochter O mit Zustimmung der Kläger ihre Wohnung an ihren Bruder G unter. Die an die Kläger zu leistende Miete erhöhte sich auf 280,00 Euro (210,00 Euro Grundmiete + 70,00 Betriebskostenvorschuss).

Der Kläger zu 1) bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Die Klägerin zu 2) war geringfügig beschäftigt. Sie erzielte ein Entgelt von 150,00 Euro monatlich.

Die Tochter O war 2005 Schülerin und bezog BAföG. Der Sohn G begann am 01.08.2005 eine Berufsausbildung als Energieelektroniker. Die monatliche Ausbildungsvergütung betrug im ersten Ausbildungsjahr 463,00 Euro, im zweiten Ausbildungsjahr 622,00 Euro, im dritten Ausbildungsjahr 692,00 Euro sowie im vierten Ausbildungsjahr 749,00 Euro.

Der Kläger zu 1) beantragte am 29.12.2004 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Agentur für Arbeit D bewilligte mit Bescheid vom 29.12.2004 dem Ehepaar und ihrem Sohn G für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Grundsiche...

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