Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. selbst genutzte Eigentumswohnung. Balkonsanierungskosten. Sonderumlage durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 gehören neben den zur Finanzierung des selbst genutzten Wohneigentums geleisteten Schuldzinsen auch die Nebenkosten und auch tatsächliche Aufwendungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit diese nicht zu einer Verbesserung des Standards des selbst genutzten Wohneigentums führen und sie angemessen sind (vgl BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 17). Dieser tatsächliche Erhaltungsaufwand muss geeignet und erforderlich sein, dem Leistungsberechtigten sein Eigentum zu Wohnzwecken zu erhalten. Zum Erhaltungsaufwand zählt somit nicht nur derjenige Aufwand, der periodisch, regelmäßig anfällt und sich auf notwendige Kleinreparaturen, regelmäßig anfallende Wartungsarbeiten sowie kleinere Schönheitsreparaturen und Ausbesserungsarbeiten bezieht, sondern auch solcher Aufwand, der der Verhinderung oder Beseitigung drohender oder schon entstandener Schäden am selbst genutzten Wohneigentum dient. Dies setzt voraus, dass sie für die Sicherung und den Erhalt der Unterkunft notwendig sind und deren Bewohnbarkeit aufrecht erhalten sollen. Nicht zum Erhaltungsaufwand gehören aber größere Erneuerungs- und Modernisierungsarbeiten, da diese regelmäßig zu einer Umgestaltung, somit zu einem neuen Bestand führen.

2. Wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen sind grundsätzlich von § 22 SGB 2 nicht erfasst. Bei notwendigen Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten ist dieser Grundsatz aber zu modifizieren. Der mit einer notwendigen Erneuerung in größerem Umfang zumeist verbundene Wertzuwachs ist nur Folge der notwendigen Erhaltung und lässt die Berücksichtigungsfähigkeit nicht entfallen. Eine Unangemessenheit des Wertzuwachses kann durch Anwendung der Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs 2 S 1 SGB 2 in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung vermieden werden. Aus systematischen Zusammenhängen lässt sich dieses Ergebnis auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Neufassung des § 22 Abs 2 SGB 2 überzeugend begründen (vgl BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 44).

3. Ist der in einer Eigentumswohnung lebende Hilfebedürftige durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gem §§ 14 und 16 Abs 2 WoEigG iVm § 21 Abs 3, Abs 5 Nr 2 WoEigG zur Zahlung einer Sonderumlage für die Instandsetzung zum Gemeinschaftseigentum gehörender, baufälliger Balkone verpflichtet und überschreitet der Umfang der Sanierungsmaßnahme das notwendige Maß zur Wiederherstellung schadensfreier Balkone nicht, so kann die Sonderumlage als aktueller Bedarf zum Zeitpunkt der Fälligkeit gem § 22 SGB 2 als Unterkunftskosten berücksichtigt werden, solange die jährlichen Unterkunftskosten für die Eigentumswohnung die in einem Kalenderjahr anfallenden Kosten für eine im örtlichen Vergleichsbereich abstrakt angemessene Nettokaltmiete nicht überschreiten. Der Umstand, dass der Hilfebedürftige die von der Sanierung betroffenen Balkone nicht nutzen kann, steht dem nicht entgegen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.09.2014; Aktenzeichen B 14 AS 48/13 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.02.2011 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 06.08.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.09.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2010 verurteilt, zusätzlich zu den im Monat September 2010 gewährten Kosten der Unterkunft weitere Leistungen in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem Wert der Anlage zu § 12 Wohngeldgesetz Mietenstufe 3 für ein berücksichtigungsfähiges Haushaltsmitglied und der im Jahr 2010 gewährten Leistung der Kosten der Unterkunft ohne Heizkosten zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme einer von der Wohnungseigentümergemeinschaft mehrheitlich beschlossenen Sonderumlage für die Sanierung von Balkonen als Kosten der Unterkunft.

Der 1964 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten seit September 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und bewohnt eine etwa 55 Quadratmeter große Eigentumswohnung in der C-straße 00 in M. In dem Wohnobjekt befinden sich insgesamt 12 Wohneinheiten. Die Hausverwaltung wird von der J-lmmobilien Wohnungsverwaltung GmbH, L, betrieben.

Mit Bescheiden vom 25.06.2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 06.08. und 10.09.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 01.08.2010 bis 31.08.2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 402,77 Euro und - nach Wegfall von Erwerbseinkommen - für den Zeitraum 01.09.2010 bis 31.01.2011 in Höhe von 642,77 Euro monatlich. Dabei berücksichtigte er hinsichtlich der K...

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