Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortführung einer Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage nach Erteilung des Widerspruchsbescheides

 

Orientierungssatz

1. Hat der Beklagte nach Erhebung der Untätigkeitsklage über den Widerspruch des Klägers gegen den ergangenen Bescheid durch Erlass des entsprechenden Widerspruchsbescheides entschieden, so hat diese sich hierdurch erledigt.

2. Die Fortführung der Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 2 SGG ist unzulässig, wenn nicht alle für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.

3. Für eine Klageänderung i. S. von § 99 Abs. 1 SGG müssen sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen der umgestellten Klage gegeben sein. Hierzu ist u. a. erforderlich, dass der Kläger innerhalb der einmonatigen Klagefrist ab Zustellung des Widerspruchsbescheides gegenüber dem Sozialgericht erklärt, dass er das Verfahren nach Eintritt der Erledigung der Untätigkeitsklage nunmehr als Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid fortsetzen wolle.

4. Versäumt der Kläger die entsprechende Erklärung innerhalb der Monatsfrist, so setzt eine Wiedereinsetzung hinsichtlich der versäumten Klagefrist beim Kläger fehlendes Verschulden voraus. Auch juristisch nicht geschulte Privatpersonen müssen die Rechtsmittelbelehrung beachten und sich notfalls erkundigen. Insoweit obliegt es dem Kläger, sich sachkundigen Rat einzuholen oder sich zumindest innerhalb der Klagefrist zur Aufklärung bzw. Richtigstellung seiner etwaigen Erklärung an das Sozialgericht zu wenden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 22.03.2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit Wirkung ab dem 01.04.2010.

Seit dem 01.05.2008 bezog der am 00.00.1972 geborene Kläger durchgehend von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 19.02.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03. bis 31.05.2010.

Am 05.03.2010 ging beim Beklagten die vom Kläger am 03.03.2010 unterschriebene Anlage VM "Feststellung der Vermögensverhältnisse der Antragstellerin/Antragstellers und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person" zum Fortzahlungsantrag ein. In dieser Anlage gab der Kläger an, dass er über Bargeld in Höhe von 48.000,00 EUR und ein Guthaben auf dem Girokonto von 2.500,00 EUR verfüge. Durch Bescheid vom 09.03.2010 (nach dem Inhalt der Verwaltungsakte, aber vom 11.03.2010 nach dem vom Kläger im Verfahren vor dem Sozialgericht S 40 AS 2462/10 vorgelegten Bescheid - im Folgenden: Bescheid vom 09.03.2010) hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab dem 01.04.2010 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 48.000,00 EUR übersteige die Grundfreibeträge von 6.300,00 EUR.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24.03.2010, beim Beklagten eingegangen am 26.03.2010, Widerspruch ein. Am 26.03.2010 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen. Durch Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.03.2010 als unbegründet zurück. Dem Widerspruchsbescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen die Entscheidung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf Klage erhoben werden kann.

Am 24.06.2010 hat der Kläger eine Untätigkeitsklage, S 40 AS 2462/10, mit dem Begehren erhoben, dass der Beklagte verpflichtet wird, seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.03.2010 zu bescheiden. Mit Schriftsatz vom 12.07.2010 hat der Beklagte dem Sozialgericht eine Kopie des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2010 übersandt und eingeräumt, dass die Untätigkeitsklage des Klägers begründet gewesen sei. Innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe er nicht über den Widerspruch entschieden. Durch Erlass des Widerspruchsbescheides sei die Untätigkeitsklage gegenstandslos geworden, einer entsprechenden Erledigungserklärung werde insofern zugestimmt.

Diesen Schriftsatz hat das Sozialgericht mit einer Kopie des Widerspruchsbescheides dem Kläger mit der Anfrage zugesandt, ob die Hauptsache für erledigt erklärt wird. Am 29.07.2010 ist beim Sozialgericht eine Erklärung des Klägers eingegangen, dass er die Klage nicht zurücknehme. Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.08.2010 gebeten, nunmehr die Klage wegen mangelnder Klagerücknahme bzw. fehlender Erledigungserklärung von Seiten des Klägers abzuweisen. Es liege keine Beschwer mehr im Hinblick auf ...

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