Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnisses. Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses bei unwiderruflicher Freistellung des Arbeitnehmers. Weiterzahlung des Arbeitsentgelts. Verzicht auf Direktionsrecht. Ermittlung des Bemessungsrahmens. versicherungspflichtige Beschäftigung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 11 AL 15/17 R

 

Orientierungssatz

1. Ein Versicherungspflichtverhältnis iS des § 142 Abs 1 S 1 SGB 3 iVm §§ 24, 25 Abs 1 SGB 3 liegt nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse. Zahlt der Arbeitgeber aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer diesem das bisherige Arbeitsentgelt bis zum vertraglich vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses freiwillig weiter, so ist es auch für das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinn unschädlich, dass der Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt ist und der Arbeitgeber bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise auf die Ausübung seines Direktionsrechts verzichtet (vgl BSG vom 11.12.2014 - B 11 AL 2/14 R = SozR 4-4300 § 124 Nr 6 und vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 9).

2. Der Begriff der versicherungspflichtigen Beschäftigung iS von § 150 Abs 1 S 1 SGB 3 kann kein anderer sein, als bei einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 25 Abs 1 S 1 SGB 3, das die Grundlage eines Versicherungspflichtverhältnisses zur Erfüllung der Anwartschaft nach § 142 Abs 1 SGB 3 bildet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.08.2018; Aktenzeichen B 11 AL 15/17 R)

BSG (Beschluss vom 24.08.2017; Aktenzeichen B 11 AL 26/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.06.2015 abgeändert. Die Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 25.06.2013 und 03.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2013 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 25.03.2013 bis 31.01.2014 höheres Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 58,41 EUR zu bewilligen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes.

Die am 00.00.1956 geborene Klägerin ist ausgebildete Arzthelferin, Kinderkrankenschwester und geprüfte Pharmareferentin.

Sie arbeitete zuletzt ab dem 01.10.1996 bei der Fa. O Pharma GmbH in dem letztgenannten Beruf. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 09.03.2011 mit Ablauf des 30.04.2012. Nach diesem Vertrag war die Klägerin ferner ab dem 01.05.2011 von der Arbeitsleistung bei einer von der Arbeitgeberin weiterhin gezahlten monatlichen Bruttovergütung von 5.280,22 EUR unwiderruflich freigestellt. Daneben stellte sie sich der früheren Arbeitgeberin laut Vertrag während der Zeit der Freistellung "unentgeltlich zur Beantwortung ihrer Fragen sowie zur Erstellung von Informationen jederzeit zur Verfügung". Die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erfolgte entsprechend dieser Vereinbarung. Neben dem vereinbarten Bruttoentgelt erhielt die Klägerin auch in der Freistellungsphase unentgeltlich einen PKW mit einem geldwerten Vorteil von monatlich 404,36 EUR zur Verfügung gestellt, sowie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Boni.

Am 26.01.2012 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit erstmals persönlich arbeitssuchend. In der Folgezeit erkrankte sie und bezog vom 23.03.2012 bis 24.03.2013 Entgeltersatzleistungen (Krankentagegeld) von der H Krankenversicherung AG.

Am 20.03.2013 meldete sie sich zum 25.03.2013 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 25.06.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin diese Leistung endgültig ab dem 25.03.2013 nach einem Bemessungsentgelt von 71,87 EUR, das einem fiktiven Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 zu Grunde liegt und einem täglichen Leistungssatz von 28,72 EUR entspricht.

Hiergegen legte die Klägerin am 12.07.2013 Widerspruch ein. Es treffe im Ergebnis nicht zu, dass sie in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage lang einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Dieser Anspruch habe im Zeitraum vom 25.06.2011 bis zum 30.04.2012 bestanden. Zwar sei sie ab dem 01.05.2011 von der Arbeitstätigkeit freigestellt worden, habe jedoch Lohnfortzahlung bis zum 30.04.2012 erhalten. Im Übrigen müssten ihre Krankheitszeiten mitberücksichtigt werden.

Mit Änderungsbescheid vom 03.08.2013 erhöhte die Beklagte den Leistungssatz auf 28,76 EUR unter Beibehaltung des o.a. Bemessungsentgelts und wies mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe auch im erweiterten Bemessungsrahmen vom 25.03.2011 bis 24.03.2013 keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Deshalb sei der Bemessung ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 3 zugrunde zu legen, weil sich die Vermittlungsbemühungen für die Klägerin in erster Linie auf Beschäftigungen dieser Qualifikations...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge