nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 09.07.2002; Aktenzeichen S 45 V 33/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09. Juli 2002 geändert und die Klage abgewiesen, soweit sie über das Teilanerkenntnis hinausgeht. Der Beklagte trägt ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Kläger unter Anerkennung einer Persönlichkeitsstörung als Schädigungsfolge Anspruch auf Versorgungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.

Der am 00.00.1930 geborene Kläger siedelte 1964 aus der damaligen CSSR in die Bundesrepublik Deutschland über. In einem Antrag von März 1998 auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz, den der Beklagte auch als Antrag nach dem BVG bearbeitete, gab der Kläger an, er könne auf beiden Ohren schlecht hören. Es handele sich um ein Kriegsleiden, das durch russisches Trommelfeuer während seines Einsatzes bei der Hitlerjugend von Januar bis März 1945 verursacht worden sei. Er verlange bis 200,- DM mehr Rente. Im Laufe des weiteren Verfahrens nach dem BVG trug er vor, er habe bis Weihnachten 1944 die Volksschule besucht und sei im Januar 1945 von der Hitlerjugend zum Volkssturm bei Ratibor eingezogen worden. Bis Kriegsende sei er u.a. zur Verteidigung der Ratiborer Brücke eingesetzt worden. Er habe mit Panzerfaust und Maschinenpistole geschossen. Hierdurch und aufgrund des Geschützdonners, MG-Feuers, Bomben- und Granatenexplosionen habe er die Hörschädigung erlitten. Die Kriegserlebnisse hätten zudem zu seelischen Beeinträchtigungen geführt. Unter Auswertung eines beigezogenen Befundberichtes des HNO-Arzt Dr. K vom 30.09.1998 vertrat der Ltd. Versorgungsarzt Dr. U die Auffassung, dass das Vorliegen eines Schalltraumas i. S. einer Schädigungsfolge gemäß BVG nicht wahrscheinlich sei.

Daraufhin lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 08.09.1999 ab, Versorgung nach dem BVG zu gewähren. Zur Begründung des hiergegen am 16.09.1999 erhobenen Widerspruchs machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er unter Todesängsten Deutschland verteidigt habe. Die seelischen Beeinträchtigungen, wie Angst und Schrecken, seien damals sofort eingetreten, als Panzer auf einer Brücke in Ratibor abgeschossen worden seien. Nach dem Krieg habe er über drei Monate kein Brot gesehen, nur Gerstenkaffee und Kartoffeln. Die Russen hätten das Haus seiner Eltern abgebrannt. Die Verhältnisse seien grausam gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2000 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es habe nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen auf den Einsatz beim Volkssturm zurückzuführen seien. Schon wegen des zeitlichen Abstandes zu den schädigenden Vorgängen des Jahres 1945 ließe sich ein ursächlicher Zusammenhang nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.

Mit der hiergegen am 03.04.2000 erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin Versorgung nach dem BVG begehrt. Dabei hat er seinen Anspruch vornehmlich auf die Beurteilungen der vom Gericht gehörten Sachverständigen Dr. C und Priv.-Doz. Dr. C gestützt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 08.09.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab März 1998 Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v.H. nach dem BVG zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat, gestützt auf vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen des Dr. T, einen Versorgungsanspruch weiterhin verneint.

Das Sozialgericht hat im Wesentlichen Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens des Dr. C, Oberarzt der neurologisch-psychiatrischen Klinik des Knappschaftskrankenhauses E, vom 19.02.2001 mit ergänzender Stellungnahme vom 27.09.2001 sowie eines HNO-ärztlichen Gutachtens des Priv.-Doz. Dr. C, Ltd. Oberarzt der HNO-Klinik der Städtischen Kliniken E, vom 05.03.2001. Dr. C hat als Schädigungsfolge eine "Persönlichkeitsstörung, nicht näher klassifizierbar" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H. angenommen. Es sei davon auszugehen, dass der Einsatz beim Volkssturm mit den schrecklichen Erlebnissen der entscheidende Ausgangspunkt für die Persönlichkeitsänderung gewesen sei. Priv.-Doz. Dr. C hat eine "knapp geringgradige Hochtonschwerhörigkeit beidseits" (MdE 10 v.H.) sowie einen "kompensierten Tinnitus rechts" (MdE unter 10 v. H) mit Wahrscheinlichkeit auf die wiederholten knalltraumatischen Ereignisse während des Einsatzes beim Volkssturm zurückgeführt. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der von Dr. C als Schädigungsfolge angenommenen Persönlichkeitsstörung hat er eine schädigungsbedingte Gesamt-MdE um 25 v. H. vorgeschlagen.

Mit Urteil vom 09.07.2002 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab März 1998 eine Versorgungsrente nach einer MdE ...

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