Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Leistungen des ambulant betreuten Wohnens

 

Orientierungssatz

1. Zu den Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BVG gehört die Heilbehandlung, die gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 BVG die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst. Nach §§ 11, 13 Abs. 1 . 2 BVG entspricht der Leistungsumfang grundsätzlich demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung.

2. Ein Hilfsmittel i. S. von § 33 Abs. 1 SGB 5 ist notwendig, wenn es der Krankheitsbekämpfung dient und spezifisch im Rahmen der ärztlich verordneten Krankenbehandlung eingesetzt wird.

3. Im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs schuldet die Krankenkasse nur einen Basisausgleich. Dazu gehört das selbständige Wohnen und das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, insbesondere die Mobilität im Nahbereich (BSG Urteil vom 25. 2. 2015, B 3 KR 13/13 R). Ein Anspruch des durch eine posttraumatische Belastungsstörung geschädigten Opfers auf Versorgung mit einem Blindenführhund, um Veranstaltungen außerhalb des Nahbereichs besuchen zu können, zählt hierzu nicht.

4. Behindertenbegleithunde können unter Hilfen zum gemeinschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 SGB 9 fallen. Auch in deren Rahmen ist aber Leistungsvoraussetzung eine Erforderlichkeit der Hilfe.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.08.2018; Aktenzeichen B 9 V 15/18)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.03.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Anschaffungskosten eines sogenannten Assistenzhundes nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Bei der am 00.00.1970 geborenen Klägerin erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2008 eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und eine dissoziative Störung als Schädigungsfolge nach dem OEG an. Der Beklagte gewährt der Klägerin derzeit Rentenleistungen nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 unter Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins sowie Berufsschadensausgleich, zusammen zuletzt 1.371 EUR monatlich. Die Klägerin bezieht außerdem eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer in Höhe von zuletzt 930,52 EUR monatlich. Aufgrund mehrfacher Neuberechnungen und eines Klageverfahrens wegen des Beginns des Berufsschadensausgleichs erhielt die Klägerin 2012 eine Nachzahlung in Höhe von 12.249,94 EUR, 2014 in Höhe von 15.846,64 EUR und 2016 In Höhe von 9.394,33 EUR.

Am 22.01.2015 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für Anschaffung und Haltung eines "Assistenzhundes PTBS". Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.01.2015 mangels Anspruchsgrundlage ab. Die Klägerin legte am 13.02.2015 Widerspruch ein. Der Assistenzhund solle beim Abbau von Ängsten helfen, ihr ein Gefühl der Sicherheit geben und ihren derzeit eingeschränkten Aktivitätsradius vergrößern. Sie wolle etwa wieder einmal ins Kino oder Schwimmen gehen. Dauerhaft solle der Hund die bestehende Hilfe zum selbständigen Wohnen entbehrlich machen. Ärzte und Therapeuten befürworteten die Anschaffung des Hundes zur Verbesserung der Lebensqualität. Die Klägerin legte Bescheinigungen der Blindenführhundschule L aus B, der Z GmbH aus L1 und der Psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. X aus L vor. Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Oberregierungsmedizinalrätin Dr. K ein und lehnte den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 03.09.2015 unter Verweis auf eine fehlende gesetzliche Grundlage und ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 09.09.2009 (L 5 KR 60/08) ab.

Im Juli und September 2015 zahlte die Klägerin für den Assistenzhund "Tibor" insgesamt 19.260 EUR an die Blindenführhundschule L.

Die Klägerin hat am 23.09.2015 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben. Sie begehre die Erstattung der Anschaffungskosten des Assistenzhundes. Der Assistenzhund stelle ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die Kosten seien wie im Fall eines Blindenführhundes, ggf. in Analogie zu § 18 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (OrthV) zu übernehmen. Sie hat außerdem eine Eignungsbescheinigung der Blindenführhundschule L und einen Aufsatz "Hundegestützte Intervention in der Therapie PTBS-erkrankter Soldaten" vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.03.2016 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 11.04.2016 zugestellte Urteil am 18.04.2016 Berufung eingelegt. Der Assistenzhund sei als Therapiehund kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Der Sa...

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