Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht von vom Arbeitgeber (Speditionsunternehmen) für seine Arbeitnehmer (Fahrer) wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten übernommenen Verwarnungs- bzw Bußgeldern. Arbeitsentgelt

 

Orientierungssatz

Verwarnungs- bzw Bußgelder wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die ein Arbeitgeber als Speditionsunternehmer für seine bei ihm beschäftigten Kraftfahrer übernimmt, stellen beitragspflichtiges Arbeitsentgelt iSv § 14 Abs 1 S 1 SGB 4 dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.12.2009; Aktenzeichen B 12 R 8/08 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30. November 2007 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Streitig ist insbesondere, ob für Buß- und Verwarngelder, die die Klägerin an Stelle ihrer Fahrer übernommen hat, Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten sind. Im Hinblick auf einen zweitinstanzlich geschlossenen Unterwerfungsvergleich beschränkt sich der Streitgegenstand nunmehr auf die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Gunsten des Beigeladenen zu 8., betreffend ein Bußgeld wegen einer am 3./4.10.2002 in Frankreich von diesem während der Ausübung der Tätigkeit für die Klägerin begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Im Juni 2005 führte die Beklagte bei der Klägerin, einem Speditionsunternehmen aus B, das im internationalen Frachtverkehr, insbesondere in den Benelux-Ländern, tätig ist, eine Betriebsprüfung durch. Diese bezog sich auf den Prüfzeitraum vom 01.12.2000 bis zum 31.12.2004. Nach Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2005 Beiträge in Höhe von insgesamt 21.070,72 EUR nach, wobei 18.214,48 EUR auf Beiträge für Buß- und Verwarngelder entfielen, die wegen Lenkzeit- und Ruhensverstößen ihrer Fahrer in Belgien und Frankreich angefallen waren. Zur Begründung der Sozialversicherungspflicht der von der Klägerin übernommenen Bußgelder verwies die Beklagte darauf, es handele es sich um beitragspflichtigen Arbeitslohn. Außerdem habe die Klägerin als Arbeitgeberin die Versteuerung der Buß- und Verwarngelder nach § 40 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) mit einem Durchschnittssteuersatz zu Gunsten ihrer Fahrer übernommen. Dies stelle einen geldwerten Vorteil dar, aus dem ebenfalls Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet werden müssten. Zur Begründung der Beitragsfreiheit könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 07.07.2004 (Az.: VI R 29/00, Urteilssammlung für die Gesetzliche Krankenversicherung (USK) 2004-50) berufen. Es handele es sich insoweit um eine Einzelfallentscheidung, die für die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der arbeitgeberseitigen Übernahme von Buß- und Verwarngeldern wegen Lenkzeitüberschreitungen nicht maßgeblich sei.

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2007 als unbegründet zurück. Insbesondere bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, bei denen erhöhte Schadensrisiken oder sogar Gesundheitsgefährdungen bestünden, stelle die Übernahme von Bußgeldern Arbeitslohn dar, so dass Sozialversicherungspflicht gegeben sei.

Mit der am 20.06.2007 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Lenkzeitüberschreitungen seien ausschließlich ihrem Verantwortungsbereich als Arbeitgeberin zuzuordnen: Sie seien in Folge entsprechender arbeitgeberseitiger Dispositionen erforderlich gewesen und beruhten sämtlich auf einer individuell erteilten Anweisung an die Fahrer, bestimmte Güter noch rechtzeitig zu den Kunden zu bringen und dabei die Missachtung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in Kauf zu nehmen. Die sofortige Zahlung der Geldbußen bei Feststellung von Verstößen habe ausschließlich in ihrem, der Klägerin, dringenden betrieblichen Interesse gelegen, weil anderenfalls ihre Fahrzeuge nicht hätten weiterfahren und Aufträge nicht rechtzeitig hätten abgewickelt werden können. Die Freistellung der Fahrer von der Zahlungsverpflichtung stelle daher kein Entgelt für die geleistete Arbeit dar, sondern sei als - sozialversicherungsfreier - Ersatz für betriebsbezogene Auslagen, die den Fahrern anlässlich ihrer betrieblichen Tätigkeit entständen seien, zu bewerten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2007 insoweit aufzuheben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarngelder (einschließlich Steuern) erhoben habe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich ergänzend auf ein Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) bezogen (Urt. vom 20.06.2007, Az.: L 11 (8) R 75/06, www.juris.de) sowie auf einen Beschluss des Sächsischen LSG (Beschl. vom 04.10.2007, Az...

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