Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernommene Verwarnungsgelder. beitragspflichtiges Arbeitsentgelt
Orientierungssatz
1. Verwarnungsgelder wegen Verkehrsverstößen, die der Unternehmer den bei ihm beschäftigten Kraftfahrern erstattet, sind beitragspflichtiges Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB 4.
2. Es verstößt nicht gegen den Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB 4, vom Arbeitgeber übernommene Verwarnungsgelder als Arbeitsentgelt zu behandeln, auch wenn dies letztlich zur Erhöhung der Rente durch verkehrswidriges Verhalten der Fahrer führt, denn dies ist nur eine fernliegende Rechtsfolge davon, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die von ihnen gezahlten Bußgelder letztlich erstattet.
3. Die Übernahme von Verwarnungsgelder erfolgt nicht aus ganz überwiegend eigenem betrieblichem Interesse des Arbeitgebers, denn es ist auszuschließen, dass er sein Unternehmen nur wettbewerbsfähig führen kann, wenn seine Fahrer Verkehrsverstöße begehen (Abgrenzung zum Urteil des BSG vom 26. Mai 2004 - B 12 KR 5/04 R-).
4. Die von der Ermächtigungsvorschrift des § 17 Abs. 1 SGB 4 angestrebte weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts steht der Beitragspflicht von übernommenen Verwarnungsgeldern schließlich ebenfalls nicht entgegen, da die Funktionsfähigkeit des Betriebs dieses Verhalten nicht erzwingt (Abgrenzung zur Entscheidung des BFH vom 7. Juli 2004 - VI R 29/00 -: Sonderfall der Konkurrenzsituation eines privaten Unternehmens mit der Deutschen Bundespost bei Parkverstößen).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten vom 20.03.2006 wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 06.02.2006 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Frage streitig, ob Verwarnungsgelder, die die Klägerin für die bei ihr beschäftigten Kraftfahrer gezahlt hat, als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt anzusehen sind.
Die Klägerin, die ein Speditionsunternehmen betreibt, erstattete den bei ihr beschäftigten Kraftfahrern Bußgelder, die gegen diese zum Beispiel wegen Überschreitung von Lenkzeiten, Verletzung entsprechender Aufzeichnungspflichten, Überladungen oder Geschwindigkeitsüberschreitungen wegen terminsbedingter Ursachen verhängt worden waren. Anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung wurden diese Verwarnungsgelder der Lohnsteuer mit einem besonders ermittelten Pauschsteuersatz gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz der Nachzahlung unterworfen.
Nachdem die Beklagte diesen Sachverhalt anlässlich einer Betriebsprüfung festgestellt hatte, forderte sie von der Klägerin mit Bescheid vom 26.04.2001 für den Prüfzeitraum (01.01.1997 bis 31.12.2000) mit einem nicht personenbezogenen Bescheid 3.192,96 DM an Sozialversicherungsbeiträgen für die übernommenen Verwarnungsgelder. Die im Anschluss an die Lohnsteueraußenprüfung vorgenommene Nachzahlung der Lohnsteuer mit einem besonders ermittelten Pauschsteuersatz gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz löse keine Beitragsfreiheit gemäß § 2 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) aus, da es sich um keinen festen Pauschsteuersatz der §§ 40 Abs. 2, 40 b Einkommensteuergesetz handele und es sich bei der Geldbußenübernahme nicht um laufendes, sondern um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (§ 23 a SGB IV, R 115 Lohnsteuerrichtlinien) handele. Eine personenbezogene Nachberechnung sei auf Grund der Unterlagen nicht bzw. nicht ohne verhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand möglich gewesen. Die Beiträge und Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LfzG) seien daher nach § 28 f Abs. 2 SGB IV anhand der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte ermittelt worden (Summenbeitragsbescheid).
Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 21.05.2001. Bei der Übernahme von Verwarnungs- und Bußgeldern handele es sich um sonstige Bezüge nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz, so dass sie nach § 2 Abs. 1 ArEV nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen seien. Demzufolge bestünde auch keine Beitragspflicht. Es seien ausschließlich solche Verwarnungs- und Bußgelder übernommen worden, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmer bei der Teilnahme im Straßenverkehr für die Klägerin angefallen seien. Untechnisch gesehen handele es sich um berufsbedingte Aufwendungen, die der jeweilige Arbeitnehmer im Rahmen seiner Berufsausübung bzw. Tätigkeit habe aufbringen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2002 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Hiergegen richtete sich die am 13.05.2002 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Während des Klageverfahrens berichtigte die Beklagte auf Grund einer Beanstandung der Klägerin den Nachforderungsbetrag, der sich nunmehr auf 1.538,45 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 68,- Euro belief (Berichtigungsbescheid vom 17.03.2004).
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26....