Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht vom Arbeitgeber (Transportunternehmer) für seine Arbeitnehmer (Fahrer) wegen Straßenverkehrsverstößen gezahlten Verwarnungs- und Bußgeldern. betriebliche Veranlassung. Bindungswirkung von Bescheiden der Finanzbehörde für Sozialversicherungsträger. Auslegung des Begriffs Arbeitsentgelt

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Arbeitgeber (Transportunternehmer) seinen Arbeitnehmern (Fahrern) ihnen gegenüber wegen Straßenverkehrsverstößen ausgesprochene Verwarnungs- und Bußgelder bezahlt, die aus ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer resultieren, handelt es sich um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.

 

Orientierungssatz

1. Bescheide der Finanzbehörden entfalten keine Bindungswirkung für die Sozialversicherungsträger und die Sozialgerichte (vgl BSG vom 26.3.1998 - B 12 KR 17/97 R = SozR 3-2400 § 14 Nr 15).

2. Der Begriff des Arbeitsentgelts ist nach den Grundsätzen des Sozialrechts im Einzelfall autonom nach sozialrechtlichen Grundsätzen und Normenzwecken auszulegen (vgl BSG vom 21.2.1990 - 12 RK 20/88 = BSGE 66, 219 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2).

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 16. August 2006 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.207,80 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Der Beschwerdeführer ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners B. als Inhaber der Firma "Transporte und Baustoffhandel B. e. K." (im Folgenden: der Schuldner). In diesem Betrieb waren ca. 70 Arbeitnehmer beschäftigt.

Anlässlich einer Betriebsprüfung der Firma "Transporte und Baustoffhandel B. e. K." nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Zeit vom 01.09.2004 bis 23.11.2004 ermittelte die Landesversicherungsanstalt Thüringen, die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin, für den Prüfzeitraum vom 01.01.2000 bis 31.12.2003 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.229,32 €.

Während der Schlussbesprechung am 07.10.2004 über die durchgeführte Betriebsprüfung wies die Beklagte den Schuldner unter anderem darauf hin, Bußgelder, die vom Arbeitgeber übernommen würden, seien beitragspflichtig. Mit dieser Schlussbesprechung gelte die Anhörung nach § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als durchgeführt.

Mit Schreiben vom 07.10.2004 bat die Landesversicherungsanstalt Thüringen den Schuldner, "anhand des Sachkontos 4101 Sonstige Lohnkosten (Bußgelder) der Jahre 2000 bis 2003 eine Aufstellung zu fertigen, aus der hervorgeht, für welchen Arbeitnehmer in welcher Höhe Geldbußen übernommen wurden." In den Fällen, in denen keine namentliche Zuordnung der Beträge möglich sei, würden die übernommenen Bußgelder als Summenbescheid nach § 28 f Abs. 2 SGB IV nachberechnet.

Durch Schreiben vom 21.10.2004 teilte der Schuldner der Landesversicherungsanstalt Thüringen mit, es sei nicht möglich, eine namentliche Zuordnung der Beträge auf dem Sachkonto 4101 "Sonstige Lohnkosten" der Jahre 2000 bis 2003 vorzunehmen.

Mit Bescheid vom 30.11.2004 forderte die Landesversicherungsanstalt Thüringen den Schuldner zur Zahlung des Betrags in Höhe von 13.229,32 € auf. Ausweislich der Anlagen über die Berechnung der Beiträge zu diesem Bescheid entfiel ein Betrag in Höhe von 12.831,19 € auf vom Arbeitgeber übernommene Bußgelder der Arbeitnehmer. Im Einzelnen machte die Landesversicherungsanstalt Thüringen für die AOK - Die Gesundheitskasse - in Thüringen (Beigeladene zu 1) einen Betrag in Höhe von 7.040,76 €, für die Innungskrankenkasse Thüringen (Beigeladene zu 2) einen Betrag in Höhe von 478,11 €, für die Betriebskrankenkasse für Heilberufe (Beigeladene zu 3) einen Betrag in Höhe von 430,88 €, für die mhplus Betriebskrankenkasse (Beigeladene zu 4) einen Betrag in Höhe von 425,56 €, für die Deutsche Angestellten Krankenkasse (Beigeladene zu 5) einen Betrag in Höhe von 2.474,29 €, für die Kaufmännische Krankenkasse (Beigeladene zu 6) einen Betrag in Höhe von 1.579,31 € und für die Barmer Ersatzkasse Krankenversicherungsträger (Beigeladene zu 7) einen Betrag in Höhe von 402,28 € geltend. Unter "Sachverhalt" findet sich jeweils die Angabe: "vom Arbeitgeber übernommene Bußgelder der Arbeitnehmer sind beitragspflichtig, eine namentliche Zuordnung ist nicht möglich (Gesamtbetrag lt. Sachkonto 4101: [jeweiliger Betrag])".

Hiergegen legte der Schuldner am 20.12.2004 mit der Begründung Widerspruch ein, ein beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen VI R 26/00 (ausweislich des Schreibens des Steuerberaters des Schuldners vom 10.09.2002 gemeint: VI R 29/00) anhängiges Verfahren bezüglich vom Arbeitgeber übernommener Bußgelder sei noch nicht abgeschlossen. Außerdem werde beantragt, im Hinblick auf den Beschluss des Thüringer Finanzgerichts vom 12.09.2002 mit dem Aktenzeichen II 455/02 "den Vollzug des oben genannten Bescheides ruhen zu lassen". Gleichzeitig werde ei...

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