Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenzahnärztliche Vereinigung. Berichtigungsbefugnis. Honorarabrechnung. Degressionsberechnung für 1997. Vertrauensschutz des Vertragszahnarztes. vierjährige Ausschlussfrist für sachlich-rechnerische Richtigstellungen. Berechnung des Fristbeginns

 

Orientierungssatz

1. Die Berichtigungsbefugnis einer KZÄV besteht unabhängig davon, welcher Sphäre der zu Unrichtigkeit des Honorarbescheides führende Fehler zuzurechnen ist und gilt auch für die Umsetzung der Vorschriften über die Honorarminderung wegen eines degressiven Punktwertes gemäß § 85 Abs 4bff SGB 5 (vgl BSG vom 30.6.2004 - B 6 KA 34/03 R = BSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11).

2. Die in § 85 Abs 4b SGB 5 idF vom 4.12.1995 für ein Kalenderjahr genannten Punktmengengrenzen kommen entsprechend dem verkürzten Geltungszeitraum der Norm nur zeitanteilig zur Anwendung, so dass die Punktmengengrenze für das Jahr 1997 maximal 175 000 Punkte beträgt (vgl BSG vom 27.4.2005 - B 6 KA 18/04 R) = SozR 4-2500 § 85 Nr 15).

3. Zum Anspruch auf Vertrauensschutz bei Honorarrückforderungen wegen degressionsbedingter Kürzungen.

4. Für sachlich-rechnerische Richtigstellungen gilt in Anlehnung an die im Sozialrecht für die Verjährung von Sozialleistungen, Beiträgen und Erstattungsansprüchen geltende Verjährungsfrist von vier Jahren eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer die Beanstandung dem Betroffenen bekannt gegeben werden muss (vgl zB BSG vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R = BSGE 89, 90 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3).

5. Für den Fristbeginn ist nicht auf die Bekanntgabe der Honorarbescheide abzustellen. Sie beginnt frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der ursprüngliche Honorarbescheid ergangen ist (vgl LSG Essen vom 28.4.2004 - L 11 KA 150/03 = GesR 2004, 525).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.03.2007; Aktenzeichen B 6 KA 22/06 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26.04.2004 abgeändert Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Honorarrückforderung für das Jahr 1997 in Höhe von 35.648,56 Euro aufgrund der Überschreitung der gesetzlichen Punktmengengrenze.

Die Klägerin nimmt als Vertragszahnärztin an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) hatte nach Aufhebung der Vorschriften zum degressiven Punktwert (§ 85 Abs. 4b ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 30.06.1997 geltenden Fassung) durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG vom 23.06.1997, BGBl. I., 1520) zum 01.07.1997 die Auffassung vertreten, dass die im Gesetz genannte Punktmengengrenze von 350.000 Punkten ungeachtet der Aufhebung der Vorschrift auch im Jahre 1997 für alle Vertragszahnärzte gelte, die mindestens vom 01.01.1997 bis 30.06.1997 zugelassen waren. Demgemäß ermittelte die Beklagte die Degressionsbeträge nur in den Fällen, in denen Vertragszahnärzte die Punktmengengrenze von 350.000 Punkten bereits im ersten Halbjahr überschritten hatten. Die Klägerin hatte für die beiden ersten Quartale 1997 (zunächst) 355.721 Punkte abgerechnet, so dass mit Bescheid vom 19.10.1997 wegen der Degressionsregelung ein Honorarabzug von 1.193,11 DM erfolgte. Wegen nachträglicher Abrechnungsänderungen für das erste Halbjahr 1997 ergab sich schließlich eine Punktmenge von 352.829 Punkten, so dass die Beklagte mit Bescheid vom 13.01.1999 nur noch eine Honorarkürzung in Höhe von 945,40 DM festsetzte. Diesen Bescheid hat die Klägerin nicht angefochten.

Die Vierteljahresabrechnungen für die Quartale I/1997 im Juli 1997 und II/1997 im Oktober 1997 enthielten folgenden Vorbehalt: "Diese Vierteljahresabrechnung erfolgt gemäß § 3 des gültigen Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der KZV Westfalen-Lippe unter den dort genannten Vorbehalten. Alle Zahlungen der KZV Westfalen-Lippe gelten gemäß § 4 Abs. 1 des HVM als Vorschüsse auf den endgültigen Vergütungsanspruch, bis die Bescheide rechtsbeständig und die Vorbehalte gemäß § 3 HVM erledigt sind". § 3 des seinerzeit maßgeblichen HVM sah einen Vorbehalt für die Abrechnungen unter anderem in Nr. 3 wegen "Berichtigung wegen Überschreitung gesetzlicher Punktmengengrenzen (§ 85 Abs. 4b SGB V - Degression)" vor.

Die Krankenkassen vertraten gegenüber der Beklagten die Auffassung, dass Degressionsbeträge unter Zugrundelegung einer maximal hälftigen Jahrespunktmenge zu berechnen seien und rechneten zum Teil gegenüber Gesamtvergütungsforderungen der Beklagten mit Zahlungsansprüchen auf Abführung der Degressionsbeträge für 1997 auf. Die Beklagte erhob deswegen im November 2001 Zahlungsklagen gegen Krankenkassen (siehe BSG Urt. v. 27.04.2005 - B 6 KA 18/04 R).

Unter Hinweis auf die streitige Frage der degressionsfreien Punktmenge für das Jahr 1997 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2001 von der Klägerin unter Zugrundelegung der hälftigen Jahre...

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