Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit eines durch Widerspruchsbescheid abgeschlossenen Überprüfungsverfahrens zur Zulässigkeit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage

 

Orientierungssatz

1. Auch im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB 10 ist zur Zulässigkeit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 SGG die Durchführung eines Vorverfahrens nach § 78 SGG erforderlich. Fehlt es daran, so kommt die Aussetzung des Berufungsverfahrens in entsprechender Auslegung des § 114 SGG nicht in Betracht.

2. Erst nach einem durch Widerspruchsbescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 44 SGB 10 kann der Betroffene gegen die ablehnende Entscheidung des Leistungsträgers gerichtlich vorgehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.07.2017; Aktenzeichen B 13 R 17/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Düsseldorf vom 12.1.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht materiell-rechtlich die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente des Klägers: Dabei geht es einerseits um die Absenkung des Zugangsfaktors bei Renteneintritt vor Vollendung des 60. Lebensjahres, andererseits um den Abschlag in Entgeltpunkten wegen eines durchgeführten Versorgungsausgleichs.

Der im August 1958 geborene Kläger war vom 1.3.1984 bis zum 30.9.2003 verheiratet. Seine Ehe mit Frau M wurde durch Urteil des Amtsgerichts O vom 12.2.2004 rechtskräftig geschieden; das Urteil des Amtsgerichts O betreffend den Versorgungsausgleich erlangte am 23.3.2004 Rechtskraft.

Aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 10.1.2007 (zur Beendigung des Klageverfahrens Sozialgerichts [SG] Düsseldorf S 39 R 29/05) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Ausführungsbescheid vom 24.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1.9.2004 bei einem am 24.8.2004 eingetretenen Leistungsfall. Der sich anschließende Rentenhöhenstreit (SG Düsseldorf S 39 R 195/08) betreffend die beiden auch hier streitigen materiell-rechtlichen Themen endete erstinstanzlich durch klageabweisendes Urteil des SG Düsseldorf vom 4.7.2012; im Berufungsverfahren vor dem erkennenden Senat verfolgte der Kläger die versorgungsausgleichsbedingte Absenkung der Entgeltpunkte als Begründungselement des Rentenhöhenstreits erklärtermaßen nicht mehr weiter. Mit Urteil vom 24.5.2013 wies der Senat ohne Revisionszulassung die Berufung betreffend die Absenkung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenteneintritt vor Vollendung des 60. Lebensjahres zurück. Rechtsmittel dagegen legte der Kläger nicht ein.

Ein von der Beklagten als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gewertetes Schreiben des Klägers betreffend die Absenkung des Zugangsfaktors lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.2.2014 ab. Den Widerspruch des Klägers (Schreiben vom 20.2.2014, eingegangen bei der Beklagten am 6.3.2014), in dem er sich neben der weiter verfolgten Thematik des Zugangsfaktors erneut gegen den durchgeführten Versorgungsausgleich wandte, da seine geschiedene Ehefrau inzwischen wiederverheiratet sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014, der eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, zurück. Laut Vermerk der Beklagten vom 30.4.2014 erfolgte an diesem Tag auch die Absendung des Widerspruchsbescheides an den Kläger. Ein dagegen eingelegtes Klageverfahren ist nicht aktenkundig.

Mit am 8.3.2016 beim SG Düsseldorf eingegangenen Schreiben wandte sich der Kläger nunmehr ausdrücklich an das Gericht, um erneut wegen der Erwerbsminderungsrentenkürzung für unter 60-jährige und wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs gegenüber der Beklagten vorzugehen. Da seine geschiedene Ehefrau noch gar keine Rente beziehe, sei bei ihm keine Kürzung an Entgeltpunkten vorzunehmen. Zudem müsse seine geschiedene Ehefrau die ihr zugewiesenen Entgeltpunkte "verlieren", da sie - wie bei der Witwenrente - inzwischen wiederverheiratet sei. Des Weiteren stünde ihm ein halber Entgeltpunkt aus der seiner geschiedenen Ehefrau inzwischen zugeordneten Mütterrente für die Erziehung des gemeinsamen Kindes zu. Auf richterliche Anhörung hin teilte die Beklagte mit, dass das letzte bei ihr geführte Verwaltungsverfahren mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2014 abgeschlossen wurde. Das SG wies den Kläger darauf hin, dass für den Versorgungsausgleich inhaltlich nur das Familiengericht zuständig sei, die Abschläge auf Entgeltpunkte gesetzlich geregelt seien und kein Verfahren betreffend Kindererziehungszeiten bekannt sei (Schreiben vom 12.4.2016). Jedenfalls könne zulässigerweise Klage gegen die bewilligte Erwerbsminderungsrente nur bei Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erhoben werden. In einem weiteren Hinweis (vom 29.12.2016) bekräftigte das SG diese Rechtsauffassung und kündigte zugleich eine Entscheidung durch Gerichtsb...

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