Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen der Terminsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Eine Terminsgebühr fällt nicht an, wenn in einem Verfahren vor dem Sozialgericht, für das eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung in BT-Drucksache 15/1971 S. 212.

2. Eine planwidrige ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht nicht. Deshalb ist eine analoge Anwendung der Nummern 3202, 3104 VV ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 12.7.2006 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts.

Im Hauptsacheverfahren war die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Streit. Im Berufungsverfahren (Eingang des Rechtsmittels beim erkennenden Gericht: 7.6.2005) wurde der Beschwerdeführer der Klägerin im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet (Beschluss vom 14.2.2006). Das Verfahren endete am 22.2.2006 mit der (schriftlichen) Annahme eines von der Beklagten (schriftlich) unterbreiteten Vergleichsvorschlags (vom 22.12.2005).

Der Erinnerungsführer beantragte die Festsetzung von Gebühren in Höhe von EUR 1183,20 und berechnete dabei u.a. eine Terminsgebühr von EUR 200 zzgl 16% Umsatzsteuer = EUR 232. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte als Kostenbeamter die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren auf EUR 951,20 fest, weil bei Vergleichen die fiktive Terminsgebühr nicht anfalle (Beschluss vom 17.3.2006). Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das Sozialgericht (SG) zurückgewiesen und seine Entscheidung unter Hinweis auf § 197 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für endgültig gehalten (Beschluss vom 12.7.2006). Gegen diese ihm nach eigenem Vortrag am 21.7.2006 zugestellte Entscheidung hat der Erinnerungsführer am 11.8.2006 im eigenen Namen Beschwerde eingelegt und beantragt, weitere EUR 232 zur Erstattung aus der Staatskasse festzusetzen. Die unterschiedliche Regelung zur Terminsgebühr in Nrn 3104 und 3106 VV könne nur auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen. Sie verstoße gegen Art 3 des Grundgesetzes, weil rechtfertigende Gründe für die unterschiedliche Regelung nicht erkennbar seien.

Der Beschwerdegegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II.

Die Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 14.8.2006), ist zulässig, aber unbegründet.

Entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG ist die Beschwerde statthaft, §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG). Das RVG findet auf den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers (nach § 55 Abs 1 Satz 1 RVG) Anwendung, obwohl der Erinnerungsführer bereits vor dem 1.7.2004 für die Klägerin in derselben Angelegenheit tätig war, weil das Rechtsmittel, die Berufung gegen das Urteil des SG Aachen vom 14.4.2005) nach dem 1.7.2004 (nämlich am 7.6.2005) eingelegt wurde, § 61 Abs 1 Satz 2 RVG.

Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt auch EUR 200, § 33 Abs 3 Satz 1 RVG. Maßgeblich für die Bestimmung dieses Wertes ist die formelle Beschwer, die der Erinnerungsführer zutreffend mit EUR 232 berechnet und insgesamt zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht hat. Die neben der Terminsgebühr von EUR 200 angesetzte Umsatzsteuer in Höhe von EUR 32 ist als zusätzliche Vergütungsposition einzubeziehen (Hartmann. Kostengesetze. 37. Auflage 2007. § 32 RVG Rdnr 18 mwN).

Die Beschwerde ist auch fristgerecht, nämlich innerhalb der hier maßgeblichen Jahresfrist eingelegt worden. § 33 Abs 3 Satz 3 RVG, nach dem eine zulässige Beschwerde nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden kann, wird hier durch die Vorschrift des § 66 SGG verdrängt. Diese Vorschrift ist anwendbar, weil es sich um ein Annexverfahren zu einem sozialgerichtlichen Verfahren (hier: nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm 114ff der Zivilprozessordnung) handelt (vgl Meyer-Ladewig. SGG. Kommentar. 8.Auflage 2005. § 73a Rdnr 13f mwN) und im RVG (insoweit) eine Spezialregelung nicht enthalten ist. Danach ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres zulässig, wenn - wie hier - die Belehrung über den Rechtsbehelf unrichtig erteilt worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Erinnerungsführer dies bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt ohne Weiteres hätte erkennen können (Meyer-Ladewig.aaO. § 66 Rdnr 12).

Der Erinnerungsführer ist auch befugt, das Verfahren in eigenem Namen zu betreiben, §§ 56 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Satz, 55 Abs 1 Satz 1 RVG.

Die Beschwerde ist nicht begründet, weil die zusätzlich geltend gemachte Terminsgebühr nicht angefallen ist, § 3 Abs 1 Satz 1 RVG iVm mit Nrn 3205, 3106 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis - VV). Nach diesen Vorschriften ist nicht vorgesehen, dass in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen - wie hier - Beitr...

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