Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zur Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung durch einstweiligen Rechtsschutz. Hinweis der Dokumentationsstelle juris

 

Orientierungssatz

Für das Vorliegen des Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bezüglich der Übernahme der Kosten für die Unterkunft und Heizung ist es erforderlich, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit droht. Für die Bejahung einer Eilbedürftigkeit reicht eine ausgesprochene fristlose Kündigung nicht aus. Hierzu ist Rechtshängigkeit einer Räumungsklage notwendig.

Die bisherige Auffassung des Senats, dass ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung erst vorliegt, wenn Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohen, dh Räumungsklage erhoben wurde, wurde unter verfassungskonformer Auslegung aufgegeben.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.04.2012 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller in der Zeit vom 03.04.2012 bis zum 30.06.2012 vorläufig Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 407,86 Euro zu gewähren.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers, mit der er nur noch die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung begehrt, ist begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

Hinsichtlich des Begehrens des Antragsstellers, ihm auch Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren, liegt neben einen Anordnungsanspruch nunmehr auch ein Anordnungsgrund vor. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bezüglich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ist es erforderlich, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit droht. Diese Voraussetzungen sind nunmehr gegeben. Denn mit Schriftsatz vom 16.04.2012 hat die Vermieterin des Antragstellers Räumungsklage erhoben. Zur Überzeugung des Senats ist ein Anordnungsgrund grundsätzlich bei einer Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben. Denn in diesem Fall droht eine Wohnungs- und Obdachlosigkeit.

Zutreffend hat das Sozialgericht (SG) im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die von der Vermieterin des Antragstellers ausgesprochene fristlose Kündigung (Schreiben vom 20.03.2012) für die Bejahung einer Eilbedürftigkeit nicht ausreicht. Denn selbst für den Fall einer fristlosen Kündigung und einer sich anschließenden Räumungsklage kann die Kündigung noch abgewendet werden. Für den Fall der Räumungsklage enthält § 22 Abs. 9 SGB II in der Fassung vom 24.03.2011 Regelungen zur Sicherung der Unterkunft. So ist das Amtsgericht nach dieser Vorschrift verpflichtet, dem Grundsicherungsträger unverzüglich Tatsachen und näher bezeichnete Einzelheiten einer Räumungsklage nach der Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzuges mitzuteilen. Dies dient der Prävention von Obdachlosigkeit und soll es den Leistungsträgern ermöglichen, auch unabhängig von einem Antrag zu prüfen, ob die Kündigung durch Übernahme der Mietrückstände abzuwenden ist (Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 22, Rn. 200). Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass durch die Räumungsklage des Vermieters Kosten für den Leistungsberechtigten entstehen können. Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung eines Anordnungsgrundes für die Geltendmachung von Kosten der Unterkunft und Hei...

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