Entscheidungsstichwort (Thema)

Unanfechtbarkeit der Einstellung der Zwangsvollstreckung durch sozialgerichtlichen Beschluss

 

Orientierungssatz

1. Ein sozialgerichtlicher Beschluss, mit dem die Einstellung der Zwangsvollstreckung entsprechend §§ 767, 769 Abs. 1 S. 1 ZPO vorläufig angeordnet wird, kann in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO i. V. m. § 198 Abs. 1 SGG nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden.

2. Für die analoge Anwendung des Rechtsmittelausschlusses nach § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO spricht der Umstand, dass einstweilige Anordnungen in jeder Instanz frei abänderbar sind und jeweils mit der Entscheidung in der Hauptsache enden.

3. Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens rechtfertigen keine andere Beurteilung.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.2016 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund (SG) vom 22.11.2016, wonach die Zwangsvollstreckung gegen die Antragstellerin aus dem Prozessvergleich vom 15.07.2015 bis zum Erlass des Urteils in dem Verfahren des Sozialgerichts Dortmund mit dem Az. S 18 U 106/16 eingestellt wird, ist kein Rechtsmittel gegeben. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung der angegriffenen Entscheidung, wonach die Beschwerde gegeben sei, kann ein sozialgerichtlicher Beschluss, mit dem die Einstellung der Zwangsvollstreckung entsprechend §§ 767, 769 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vorläufig angeordnet wird, in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden.

Aus der Verweisung in § 198 Abs. 1 SGG auf die Bestimmungen des Achten Buches der Zivilprozessordnung folgt nicht nur die entsprechende Anwendbarkeit der auch dem angegriffenen Einstellungsbeschluss zugrunde liegenden §§ 767, 769 Abs. 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern auch die Unanfechtbarkeit sozialgerichtlicher Entscheidungen über Anträge auf einstweilige Anordnungen nach diesen Vorschriften gemäß § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.01.2017, Az. L 3 LA 87/16 B ER, juris Rn. 23 ff.; wie hier für das verwaltungsgerichtliche Vollstreckungsverfahren OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2013 - OVG 1 L 128.12 - juris Rn. 3 ff.; VGH BW, Beschluss vom 26.02.2014 - 5 S 2583/13 - juris Rn. 2 ff.; HessVGH, Beschluss vom 30.04.2009 - 7 B 675/09 - juris Rn. 12 ff.; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.01.2017 - OVG 3 K 135/16 -, juris Rn 2 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.04.2004 - XII ZB 279/03 - BGHZ 159, 14; juris Rn. 6 ff. m.w.N) schließt § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Anfechtung einer Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht nur in den in §§ 707 Abs. 1 und 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO ausdrücklich geregelten Fällen, sondern - in entsprechender Anwendung der Vorschrift - auch im Falle des § 769 Abs. 1 ZPO aus. Maßgebend für die analoge Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist vor allem die Erwägung, dass Verfahren nach § 769 ZPO mit Verfahren, für die der Rechtsmittelausschluss nach § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO unmittelbar gilt, insoweit vergleichbar sind, als in diesen ebenfalls ein schon vollstreckbarer Titel abgeändert und die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen die Nebenentscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung verzögert werden soll. Daneben entspricht es auch der Wertung des Gesetzgebers, dass das mit der Hauptsache befasste erstinstanzliche Gericht am besten beurteilen kann, ob eine und gegebenenfalls welche einstweilige Regelung erforderlich ist. Schließlich spricht nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die analoge Anwendung des Rechtsmittelausschlusses nach § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch der Umstand, dass einstweilige Anordnungen nach den genannten Vorschriften in jeder Instanz frei abänderbar sind und jeweils mit der Entscheidung in der Hauptsache enden. Die Erwägungen, die der Bundesgerichtshof für den auf eine analoge Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 gestützten Rechtsmittelausschluss im Hinblick auf erstinstanzliche Entscheidungen über Anträge nach § 769 Abs. 1 ZPO angeführt hat, sind wegen der vergleichbaren Interessenlage auch auf das sozialgerichtliche Vollstreckungsverfahren zu übertragen.

Dem stehen weder die Regelungen des Sozialgerichtsgesetzes noch Besonderheiten des sozialgerichtlichen Vollstreckungsverfahrens entgegen, die eine Abweichung von der zivilprozessualen Rechtslage rechtfertigen könnten (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Die Verweisung in § 198 Abs. 1 SGG schließt grundsätzlich die besonderen Rechtsbehelfe des zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsverfahrens ein. Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 21.04.2004 (a.a.O.) gelten in gleicher Weise auch für das sozialgerichtlic...

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