Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

Durch die Beiordnung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts entstehen keine weiteren (Reise-)Kosten iS von § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 3 ZPO, wenn ein im Bezirk zugelassener Rechtsanwalt von seinem Kanzleisitz aus vergleichbare oder sogar weitaus größere Entfernungen zum Gerichtsort zurückzulegen hätte.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 16.09.2014 geändert. Die Beiordnung der Rechtsanwälte M pp. erfolgt ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe.

Mit Beschluss vom 16.09.2014 hat das Sozialgericht Dortmund der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und ihre Bevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gegen die in dem Beschluss erfolgte Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" hat die Klägerin am 29.09.2014 Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, für eine solche Beschränkung bestehe keine Veranlassung. Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Dortmund erstrecke sich auch auf andere Städte und Kreise. Zudem habe das Sozialgericht ihre Bevollmächtigten in der Vergangenheit in Streitverfahren anderer Kläger ohne jegliche Beschränkung beigeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige, insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossene Beschwerde ist begründet. Die Bevollmächtigten der Klägerin sind nicht zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts, sondern unbeschränkt beizuordnen.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bevollmächtigten der Klägerin "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" beigeordnet. Für eine solche Einschränkung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO bestimmen, dass ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Insofern mag offen bleiben, ob § 121 Abs. 3 ZPO überhaupt eine das Verhältnis des Rechtsanwalts zur Staatskasse betreffende Regelung trifft (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2014 - L 18 R 289/13 B); denn jedenfalls sind die Voraussetzungen für eine beschränkte Beiordnung hier nicht erfüllt.

Eine über die Vorgaben des § 121 Abs. 3 ZPO hinausgehende Einschränkung der Beiordnung auf einen Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts ist ohnehin gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. den Beschluss des Senats vom 09.07.2014 - L 20 SO 272/14 B; ferner Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/ Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage 2014, Rn. 573).

Die Bevollmächtigten der Klägerin waren auch nicht nur zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Dortmund ansässigen Rechtsanwalts, sondern unbeschränkt beizuordnen. Zwar haben die Bevollmächtigten ihren Kanzleisitz in Essen und damit nicht in dem Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Dortmund (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-SGG)). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass durch deren Beiordnung gegenüber der Beiordnung eines in diesem Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts Mehrkosten entstehen können (vgl. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO). Das gilt insbesondere für etwaige Reisekosten der Bevollmächtigten zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins in Dortmund, die ggf. als Auslagen nach § 46 Abs. 1 RVG geltend gemacht werden können; denn die Kanzlei der Bevollmächtigten liegt ca. 39 km vom Sitz des Sozialgerichts entfernt. Ein im Bezirk des Sozialgerichts, etwa in Soest oder in Siegen niedergelassener Rechtsanwalt, hätte mit ca. 49 km (Entfernung Soest/Sozialgericht Dortmund) jedoch vergleichbare bzw. mit ca. 99 km (Entfernung Siegen/Sozialgericht Dortmund) sogar weitaus höhere Entfernungen zurückzulegen (vgl. zu den Entfernungen www.entfernung.himmera.com /suche).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 7401838

AGS 2015, 92

NJW-Spezial 2015, 189

RVGreport 2015, 38

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