Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung der Kosten eines beigeordneten, nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

Nach § 73a SGG i. V. m. § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Im Fall der Inanspruchnahme eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts hat ein Kostenvergleich stattzufinden. Entstünden durch die Beiordnung des nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts höhere Gebühren, insbesondere Reisekosten, so ist die Beiordnung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts zu beschränken.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.07.2021 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthaft (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 15.11.2018 - L 16 KR 412/18 B und 22.01.2018 - L 19 AS 2116/17 B). Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG greift nicht, weil das Sozialgericht mit der nur eingeschränkten Beiordnung des Bevollmächtigten nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verneint. Die Beschwerde ist auch im Übrigen form- und fristgerecht iSd §173 SGG eingelegt worden.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine uneingeschränkte Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Gemäß § 73a SGG iVm § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Daraus folgt im sozialgerichtlichen Verfahren zwar nicht zwingend, dass der Beteiligte einen Anwalt wählen muss, dessen Kanzlei im Bezirk des Gerichts ansässig ist. Im Falle der Inanspruchnahme eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts hat jedoch ein Kostenvergleich stattzufinden. Wenn die Beiordnung dieses Anwalts zu höheren Gebühren (insbesondere Reisekosten nach § 46 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ≪RVG≫ iVm Nr. 7003 bis 7005 des Vergütungsverzeichnisses ≪VV≫ der Anlage 1 zum RVG) führen würde als die Beiordnung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts, kommt eine Beschränkung der Beiordnung auf die Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts in Betracht (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 30.11.2010 - L7 AS 1939/10 B und L 7 AS 1941/10 B).

Die Voraussetzungen für eine entsprechende Beschränkung liegen im vorliegenden Fall vor, weil die Beiordnung des in Kamen ansässigen Bevollmächtigten Mehrkosten iSv § 121 Abs. 3 ZPO verursacht. Mehrkosten entstehen im Hinblick auf die erstattungsfähigen Reise- und Abwesenheitskosten dann, wenn die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und der Niederlassung des von dem Beteiligten gewählten Rechtsanwaltes größer ist als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem von dort am weitesten entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 30.11.2010 - L 7 AS 1939/10 B und L 7 AS 1941/10 B; LSG NRW Beschlüsse vom 06.08.2018 - L 2 AS 22.10.2014 - L 20 SO 401/14 B). Dies ist hier der Fall, denn gemäß Ermittlungen des Senats mit dem Routenplaner viamichelin.de beträgt die Entfernung zwischen dem Sitz des Sozialgerichts Gelsenkirchen (Bochumer Str. 79) und dem Kanzleisitz des Bevollmächtigten (S-Str. 6 in Kamen) je nach Auswahl der Strecke 44 bis 49 Kilometer, während sich die Entfernung vom Sozialgericht Gelsenkirchen zu dem am weitesten entfernten Ort innerhalb seines Gerichtsbezirks, Haltern am See, auf 33 bis 36 Kilometer beläuft. Da die vorgenannte Orientierung an den Kosten eines Rechtsanwalts, der in dem am weitesten vom Gerichtssitz entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes ansässig ist, gemäß einer Rücksprache des Senats mit dem Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen auch ständiger Praxis bei der Festsetzung der Prozesskostenhilfe entspricht, entbehrt der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, er habe einen Vergleich seiner Kosten mit denen eines am Gerichtsort Gelsenkirchen ansässigen Anwalts zu besorgen und würde damit gegenüber in anderen Orten des Sozialgerichtsbezirks niedergelassenen Anwälten benachteiligt, jeder Grundlage.

Besondere Umstände iSv § 121 Abs. 4 ZPO - so z.B. rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten des Verfahrens, die aufgrund von Vorbefassung oder besonderer rechtlicher Qualifikation die Inanspruchnahme eines bestimmten Prozessbevollmächtigten erfordern (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 18.09.2017 - L 7 SO 2285/17 B, BayVGH Beschluss vom 19.06.2017 - 10 C 17.1076) - sind nicht dargetan und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Kosten sind im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig(§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit ...

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