Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Entscheidung über Streitwertbeschwerde. Begründungspflicht. Streitwertbestimmung. wirtschaftliches Interesse. Verfahren auf Genehmigung einer bereichsübergreifenden Zweigpraxis. Hinweis auf Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit. keine Befugnis der verantwortlichen Präsidenten/-innen der Landessozialgerichte. Aussprechen von Empfehlungen

 

Orientierungssatz

1. Der zuständige Senat entscheidet über Streitwertbeschwerden in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.

2. Der Streitwert bemisst sich im Verfahren auf Genehmigung einer bereichsübergreifenden Zweigpraxis nach § 52 Abs 2 GKG. Der Auffangstreitwert ist angemessen zu erhöhen. Parameter hierfür können ua das für die Zweigpraxis angezeigte Leistungsvolumen sowie das Sprechstundenangebot sein. Ausgehend hiervon ist es gerechtfertigt, den Streitwert grundsätzlich auf 60.000 € festzusetzen. Ausnahmen hiervon sind je nach Sachlage möglich.

3. Die Begründung der Beschwerdeentscheidung wird nicht durch einen Hinweis auf den sog "Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit" ersetzt.

4. Die für den Streitwertkatalogs verantwortlichen Präsidenten/-innen der Landessozialgerichte sind aus Rechtsgründen nicht befugt, den Spruchkörpern "Empfehlungen" zu geben. Der Streitwertkatalog hat somit lediglich informatorischen Charakter.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.02.2009 abgeändert.

Der Streitwert für das Verfahren S 19 KA 5/08 wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

In der Hauptsache war die Genehmigung einer bereichsübergreifenden gynäkologischen Zweigpraxis mit einer jeweils zehnstündigen Tätigkeit für die beiden der Klägerin - einer Gemeinschaftspraxis - angehörenden Fachärzte streitig.

Das Sozialgericht (SG) hat nach Abweisung der Klage mit Urteil vom 03.02.2009 den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren "wegen der eingeschränkten Sprechstundenzahl und dem spezialisierten Leistungsangebot" auf die Hälfte des durchschnittlichen Honorarumsatz der Fachgruppe der Gynäkologen für drei Jahre abzüglich Praxiskosten auf 120.000,00 EUR festgesetzt (Beschluss vom 24.02.2009).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 09.04.2009 gegen den ihr am 04.03.2009 zugestellten Beschluss und begehrt eine Herabsetzung des Streitwerts auf 15.000,00 EUR. Beim Streitwert sei nicht von geschätzten Honorarmehreinnahmen auszugehen, sondern gemäß des "einschlägigen Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit" der dreifache Regelstreitwert zu Grunde zu legen. Sie verweise zur Begründung auch auf den Aufsatz von Wenner/Bernard (Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in vertragsärztlichen Streitigkeiten in NZS 2003, 568, 572), in dem diese Auffassung ebenfalls vertreten werde.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde ist teilweise begründet. Der Streitwert ist im tenorierten Umfang festzusetzen.

1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Die Ausnahmevorschritten der §§ 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG), wonach über die Streitwertbeschwerde der Einzelrichter entscheidet, sind im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden.

a) Nach § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG entscheidet über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde. Schon hieran fehlt es. Zwar hat die 19. Kammer des SG Duisburg die Entscheidung ohne ehrenamtliche Richter, mithin allein durch den Kammervorsitzenden getroffen, indessen ist der Kammervorsitzende nicht "Einzelrichter" i.S.d. § 66 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz GKG (zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 03.09.2009 - L 8 B 12/09 R - und vom 31.08.2009 - L 8 B 11/09 R -).

b) Selbst wenn hierzu eine andere Auffassung vertreten würde, ergäbe sich - wie nachfolgend dargelegt - nichts anderes. § 66 Abs. 6 GKG ist § 568 Zivilprozessordnung (ZPO) nachgebildet (BT-Drucks. 15/1971 S. 157). Demzufolge sollen die mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter möglichen Beschleunigungseffekte nur bei den Gerichten genutzt werden, bei denen eine Entscheidung durch Einzelrichter institutionell auch vorgesehen ist (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 13.01.2005 - V ZR 218/04 -). Das trifft beispielsweise auf den Bundesgerichtshof und Bundesfinanzhof (BFH) nicht zu (hierzu BFH, Beschluss vom 29.09.2005 - IV E 5/05 - sowie BGH, Beschluss vom 13.01.2005 - V ZR 218/04 -). Etwas anderes gilt für das Finanzgericht bzw. das Oberverwaltungsgericht. Hier kann der Vorsitzende den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), vgl. auch §§ 348, 348a ZPO). Wird hiervon Gebrauch gemacht, dürften die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG erfüllt sein, so dass...

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