Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Anmietung einer neuen Unterkunft in Zeiten ohne Sozialhilfebezug. keine Obliegenheit zur Einholung einer Zustimmung des Sozialhilfeträgers. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kostensenkungsaufforderung des Sozialhilfeträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Obliegenheit nach § 29 Abs 1 S 4 und 5 SGB 12 aF (seit 1.1.2011: § 35 Abs 2 S 3 und 4 SGB 12), vor Abschluss eines Mietvertrags über eine neue Unterkunft die Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen einzuholen, gilt nur für einen Wohnungswechsel während des Bezugs von existenzsichernden Leistungen. Ein Nichthilfeempfänger, der durch den Umzug hilfebedürftig wird, benötigt keine Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen der neuen Wohnung (Anschluss an BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R = BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 17, 19 zum SGB 2).

2. Einer leistungsberechtigten Person sind Kostensenkungsmaßnahmen nur dann subjektiv möglich, wenn sie Kenntnis davon hatte, dass der Leistungsträger von unangemessenen KdU ausgeht und sie die Obliegenheit trifft, kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer (ordnungsgemäßen) Kostensenkungsaufforderung durch den Leistungsträger (Anschluss an BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R aaO, RdNr 15, 18 mwN).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit von Oktober 2009 bis Juni 2010, insbesondere um die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU) im Gebiet der beklagten kreisfreien Stadt.

Die im Dezember 1943 geborene, alleinstehende Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 und dem Merkzeichen RF (ab 17. Januar 2014 zusätzlich mit dem Merkzeichen G) anerkannt und bezieht seit Ende 2008 mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Regelaltersrente, die sich in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf einen monatlichen Nettobetrag von 538,72 € belief. In dieser Zeit fielen für ihre etwa 58 qm große, in der F. in Osnabrück, Stadtteil G., gelegene und zum 1. Juli 2009 bezogene Wohnung monatlich Kosten für die Grundmiete von 320,00 € und Betriebskosten von 100,00 € (inkl. Heizkosten von 40,00 €) an.

Bis Mitte 2007 war die Klägerin wegen Unterhaltszahlungen ihres (mittlerweile verstorbenen) Ehemanns zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Zu dieser Zeit lebte sie in einer Wohnung im Gebiet der Beklagten, Stadtteil H., für die sie eine Gesamtmiete von 422,00 € je Monat (inkl. Heizkosten) entrichten musste. Nach der Beantragung von Sozialhilfeleistungen bezog die Klägerin auf die Kostensenkungsaufforderung der Beklagten vom 18. Juni 2007, nach der für alleinstehende Leistungsberechtigte eine Grundmiete nebst kalten Nebenkosten (Bruttokaltmiete) von 300,00 € sozialhilferechtlich angemessen sei und die tatsächlichen KdU der Klägerin nur für einen Übergangszeitraum von sechs Monaten gewährt würden, zum 1. Oktober 2007 eine etwa 37 qm große Wohnung in der I. im Stadtteil G. zu einer Bruttokaltmiete von 250,00 € zuzüglich Heizkostenvorauszahlungen von 20,00 € je Monat.

Wegen der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung als Raumpflegerin im Dezember 2007 schied die Klägerin ab Januar 2008 aus dem Sozialhilfebezug aus, bis sie die Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und ab Juni 2008 (wieder) die Altersrente ergänzende Sozialhilfeleistungen in monatlicher Höhe von etwa 87,00 € in Anspruch nahm (Bescheide der Beklagten vom 3. und 27. Juni 2008). Aufgrund der Bewilligung von Wohngeld in monatlicher Höhe von 114,00 € hob die Beklagte die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen ab 1. Januar 2009 (für die Monate Januar und Februar 2009) wieder auf (Aufhebungsbescheid vom 13. Januar 2009).

Während des Wohngeldbezugs (bis Juni 2009) beantragte die Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 28. April 2009 die Übernahme der Mietsicherheit von 600,00 € für die im streitgegenständlichen Zeitraum von der Klägerin bewohnte Wohnung (Mietbeginn: 1. Juli 2009) und übersandte den am gleichen Tag abgeschlossenen Mietvertrag. Dieser Anmietung stimmte die Beklagte unter Hinweis auf sozialhilferechtlich angemessene KdU von 335,00 € für Alleinstehende nicht zu (Schreiben vom 29. April 2009).

Am 6. Mai 2009 beantragte die Klägerin erneut Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII, die ihr unter Berücksichtigung angemessener KdU von 335,00 € und Heizkosten von 33,37 € (Abzug von Warmwasserkosten von 6,63 €) in monatlicher Höhe von 204,39 € bewilligt wurden (Bescheid vom 19. Mai 2009). Wegen der Erhöhung des Regelsatzes für...

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