Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebskostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung. Leistungsbezug sowohl im Entstehungszeitraum als auch im Fälligkeitszeitpunkt der Nachforderung. Umzug nach fristloser Kündigung durch den Vermieter mit vorheriger Zusicherung des Grundsicherungsträgers

 

Orientierungssatz

Eine Betriebskostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung ist auch dann zu übernehmen, wenn der Leistungsberechtigte sowohl zur Zeit des Entstehens der Betriebskosten als auch zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Betriebskostennachforderung im Leistungsbezug stand, der Umzug jedoch nicht aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers erfolgt ist, der Leistungsträger zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft aber eine Zusicherung erteilt hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.07.2017; Aktenzeichen B 4 AS 12/16 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme einer Betriebskostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung streitig.

Die 1982 geborene, erwerbsfähige Klägerin und ihre beiden minderjährigen Kinder (geboren 12. Mai 2004 und 03. November 2006) bezogen im Jahr 2009 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom Beklagten. Sie bewohnten eine 60 m² große Wohnung in der E.-T.-Str. 9 in I-Stadt, für welche sie eine Grundmiete in Höhe von 191,21 €, Betriebskosten in Höhe von 71,31 € und Heiz-/Warmwasserkosten in Höhe von 50,00 € zu zahlen hatten.

Mit Schreiben vom 14. September 2009 kündigte der damalige Vermieter der Klägerin das Mietverhältnis in der E.-T.-Str. 9 fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2009.Die Kündigung wurde darauf gestützt, dass die Klägerin mehrfach durch Verursachung erheblichen und nachhaltigen Lärms (laute Geräuschentwicklung durch die Kinder, lautes Geschrei der Klägerin, Spielen mit einem Hund und einem Ball während der Ruhezeiten) den Hausfrieden gestört habe und sich nicht an die Mittagsruhe- und Nachtruhezeiten halte. Es lägen zahlreiche Beschwerden der Mitmieter vor.

Nachdem der Beklagte nach Rücksprache mit der damaligen Anwältin der Klägerin zu dem Schluss gekommen war, dass ungeachtet einer etwaigen Unwirksamkeit der Kündigung ein Umzug der Klägerin mit ihren Kindern angestrebt werden solle, erteilte er der Klägerin unter dem 06. Oktober 2009 die Zusicherung zum Umzug in ihre derzeit bewohnte Wohnung in der A-Straße in A-Stadt. Zum 27. November 2009 zog die Klägerin mit ihren Kindern in diese neue Wohnung, für die eine Bruttowarmmiete in Höhe von 405,00 € (Grundmiete 268,07 €, Betriebskosten 68,58 €, Heizung/Warmwasser 68,35 €) monatlich zu zahlen war, um.

Mit Bescheid vom 01. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin unter anderem für den Monat Mai 2010 Leistungen in Höhe von 769,07 €, davon Kosten der Unterkunft und Heizung 258,07 €. Auf die Klägerin entfiel dabei ein Betrag in Höhe von 618,01 €, davon 130,01 € KdU. Hierbei rechnete der Beklagte bei den Kindern Kindergeld in Höhe von jeweils 164,00 € sowie Unterhaltsvorschuss in Höhe von jeweils 117,00 € an. Die Klägerin selbst bezog kein Einkommen.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung gegenüber den Kindern jeweils in Höhe von monatlich 36,00 € wegen der Erhöhung des Kindergeldes auf 184,00 € und des Unterhaltsvorschusses auf 133,00 € auf.

Am 11. Mai 2010 reichten die Kläger die Betriebskostenabrechnung für die vormals bewohnte Wohnung für das Jahr 2009 beim Beklagten ein, die einen am 17. Mai 2010 fälligen Nachzahlbetrag in Höhe von 274,48 € auswies.

Mit Bescheid vom 04. Juni 2010 lehnte der Beklagte die Übernahme der Betriebskostennachforderung ab, da es sich um keinen gegenwärtig zu deckenden Bedarf der Unterkunft und Heizung handele, weil die Wohnung nicht mehr bewohnt sei.

Den hiergegen am 23. Juni 2010 erhobenen Widerspruch begründeten die Kläger damit, dass es sich bei der Nachzahlung nicht um Schulden handele, sondern um einen Bedarf gemäß § 22 Abs. 1 SGB II zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlung, der auf Grund einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Mietvertrages entstanden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Mit Einreichung der Betriebskostenabrechnung sei bei verständiger Würdigung eine Neuentscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld II für den Monat der Fälligkeit der Nachzahlung begehrt worden. Diese Entscheidung, gegen die hätte Widerspruch eingelegt werden können, sei bisher unterlassen worden. Die Entscheidung vom 04. Juni 2010 betreffe jedoch keine Entscheidung über die Höhe des Arbeitslosengeldes für einen bestimmten Monat.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 15. Oktober 2010 Klage vor dem Sozialger...

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