Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebs- und Heizkostennachforderung für nicht mehr bewohnte Unterkunft. Leistungsbezug im Entstehungszeitraum und Fälligkeitszeitpunkt der Nachforderung. Umzug nach Trennung vom Lebenspartner mit vorheriger Zusicherung des Grundsicherungsträgers

 

Orientierungssatz

Eine Betriebskostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Unterkunft ist als aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen, wenn sowohl im Entstehungszeitraum der Betriebskosten als auch im Fälligkeitszeitpunkt der Nachforderung ein Leistungsbezug vorlag und der Umzug in die neue Unterkunft gem § 22 Abs 4 SGB 2 mit vorheriger Zusicherung des Grundsicherungsträgers erfolgt ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen B 14 AS 13/16 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2011 verpflichtet den Bescheid vom 28. April 2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 20. Juni 2011 dahingehend abzuändern, als das jeder Klägerin für den Monat September 2011 weitere KdU in Höhe von 188,56 Euro bewilligt und ausgezahlt werden.

Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen eines Anspruches nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Monat September 2011.

Die 1970 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1) ist die Mutter der 2002 geborenen Klägerin zu 2). Die Klägerinnen lebten im gesamten Jahre 2010 zusammen mit dem damaligen Lebenspartner der Klägerin zu 1), dem Herrn M., zur Miete in der R-straße in A-Stadt und bezogen Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Die monatlichen Vorauszahlungen der KdU und die Grundmiete berücksichtigte der Beklagte hierbei in voller Höhe.

Mit Antrag vom 03. März 2011 teilte die Klägerin zu 1) mit, dass sie sich von ihrem Lebenspartner getrennt habe und nunmehr mit ihrer Tochter ausziehen wolle. Mit Bescheid vom 04. April 2011 erteilte der Beklagte die Zusicherung zum Umzug in eine Mietwohnung in der A-Straße, A-Stadt.

Die Klägerinnen bezogen am 01. Mai 2011 die Wohnung A-Straße. Für diese Wohnung fielen ausweislich des Mietvertrages vom 28. April 2011 die folgenden monatlichen Kosten an:

Grundmiete

239,93 €

Kalte Nebenkosten

70,07 €

Heizkosten + WW

77,07 €

Auf den Leistungsantrag der Klägerinnen vom 28. April 2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2011 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 20. Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 01. Mai 2011 bis 31. Oktober 2011, wobei der Klägerin zu 1) für den Monat September 2011 eine Regelleistung inklusive Mehrbedarf in Höhe von 408,00 € zuzüglich KdU in Höhe von 193,52 € und der Klägerin zu 2) KdU in Höhe von 80,55 € bewilligt wurden. Die Klägerin zu 2) hatte im Monat September 2011 ein Einkommen in Form von Kindergeld in Höhe von 184,00 € und ein solches in Form von Kindesunterhalt in Höhe von 180,00 €.

Am 10. August 2011 reichten die Klägerinnen die Betriebskostenabrechnung für die zuvor bewohnte Wohnung in der R-straße für das Jahr 2010 ab. Die an den Zeugen M. adressierte Betriebskostenabrechnung wies eine am 13. September 2011 fällige Nachzahlung für Betriebskosten in Höhe von 565,69 € aus.

Die Einreichung der Betriebskostenabrechnung deutete der Beklagte als Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheides vom 20. Juni 2011. Diesen Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 mit der Begründung zurück, dass nachzuzahlende Betriebs- und Heizkosten für eine nicht mehr bewohnte Wohnung keinen Bedarf i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II darstellen würden.

Hiergegen legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 03. September 2011 - dem Beklagten am 07. September zugegangen - Widerspruch ein. Mit dem Widerspruch äußerten die Klägerinnen ihr Unverständnis über die Ablehnung. Schließlich hätten sie in dem Zeitraum, in welchem die Kosten entstanden sind, in der betreffenden Wohnung gelebt.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16. November 2011 mit der bereits aus dem Bescheid vom 20. Juni 2011 bekannten Begründung zurück.

Hiergegen haben die Klägerinnen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09. Dezember 2011 - am selben Tage per Fax eingegangen - Klage vor dem Sozialgericht Neubrandenburg erhoben.

Sie sind der Ansicht, dass die Betriebskostennachforderung kopfteilig für die beiden Klägerinnen zu jeweils einem Drittel als Bedarf für die KdU im Monat der Fälligkeit zu übernehmen seien. Insoweit handele es sich gerade nicht um Mietschulden. Mietschulden lägen nur bei Forderungen vor, welche während des Bewohnens der Altwohnung fällig geworden wären.

Sie haben beantragt,

den Überprüfungsbescheid vom 24. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2011 nach Rechtsauffassung des Gerichts abzuändern und sodann die Beklagte zu verurteilen, ih...

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