Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. ehrenamtlich tätige Bürgermeisterin einer amtsangehörigen Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Versicherungs- und Beitragspflicht ehrenamtlicher Bürgermeister amtsangehöriger Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 11. Juni 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung auf von der Klägerin der Beigeladenen zu 1. wegen ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Bürgermeisterin gewährte Aufwandsentschädigungen in der Zeit vom 01. Juli 2009 bis zum 31. März 2010.

Die Klägerin ist eine nicht geschäftsführende amtsangehörige Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 1.500 Einwohnern. Sie beschäftigte im Streitzeitraum einen Gemeindearbeiter und Mitarbeiterinnen einer Kindertagesstätte, verfügte jedoch über keine eigenen (hauptamtliche oder sonstige) Verwaltungsmitarbeiter. Ihre verwaltungsmäßigen und fiskalischen Geschäfte wurden und werden nach Maßgabe der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V) von dem sie auch im vorliegenden Verfahren vertretenden Amt A-Stadt geführt.

Die Beigeladene zu 1. war im streitigen Zeitraum als Industriekauffrau und Sachbearbeiterin anderweitig in Vollzeit abhängig beschäftigt. Zum 01. Juli 2009 ist sie erneut zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin der Klägerin gewählt worden. Sie erhielt für diese Tätigkeit von der Klägerin eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 750 EUR.

Die Beklagte führte im Frühjahr 2010 beim Amt A-Stadt eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2010 durch. Mit Schreiben (Bescheid-Entwurf) vom 20. April 2010 hörte sie die Klägerin im Rahmen einer Schlussbesprechung zu einer Nachforderung in Höhe von 1.456,57 EUR an, da die Beigeladene zu 1. als abhängig Beschäftigte anzusehen sei. Die gezahlten Aufwandsentschädigungen seien, soweit steuerpflichtig, in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt anzusehen, während nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III Versicherungsfreiheit bestehe.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2010 machte die Beklagte eine Beitragsnachforderung auf die der Beigeladenen zu 1. gewährten Aufwandsentschädigungen in Höhe von insgesamt 1.456,57 EUR geltend. Mit Beginn der neuen Amtszeit infolge der Kommunalwahl am 07. Juni 2009 liege ab dem 1. Juli 2009 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1. als ehrenamtliche Bürgermeisterin vor. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei schon deshalb anzunehmen, weil ehrenamtliche Bürgermeister als Leiter der Verwaltung fungierten. Eine quantitative und qualitative Bewertung der Verwaltungsaufgaben sei nicht erforderlich, wie sich aus einer Entscheidung des BSG (Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 12/05 R) ergebe. § 39 KV M-V regele, dass ehrenamtliche Bürgermeister in Mecklenburg-Vorpommern Verwaltungsfunktionen ausübten. Als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV sei im Hinblick auf den Erlass des Finanzministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 2009 zur steuerlichen Behandlung von Entschädigungen, die den ehrenamtlichen Mitgliedern kommunaler Vertretungen gewährt werden, ein Teilbetrag in Höhe von monatlich 438,00 EUR anzusehen. Mit diesem Erlass habe die zuständige oberste Landesbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern von dem Anpassungsrecht entsprechend R 3.12 LStR 2008 Gebrauch gemacht. Gemäß Teil B I Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 1 betrügen die steuerfreien Beträge bei ehrenamtlich tätigen Bürgermeistern, die zugleich den Vorsitz in der Gemeindevertretung führten, das Dreifache des Betrages nach Nr. 1 (ab 1. Januar 2009 = 104 EUR), monatlich mithin 312 EUR, sofern die tatsächlich gezahlte Entschädigung einschließlich etwaiger Sitzungsgelder monatlich 936 EUR nicht übersteige. Die Beigeladene zu 1. sei zugleich Vorsitzende der Gemeindevertretung, sodass bei einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 750,00 EUR monatlich 312,00 EUR steuer- und damit beitragsfrei blieben. Es verbleibe ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 438,00 EUR monatlich. Ergänzend wird auf die beigefügte Anlage „Berechnung der Beiträge“ Bezug genommen.

Mit dem dagegen am 11. Juni 2010 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, das Ehrenamt als ehrenamtliche Bürgermeisterin der A. sei keine versicherungspflichtige Beschäftigung. Nach der Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern seien Verwaltungsaufgaben in amtsangehörigen Gemeinden nicht vom Bürgermeister, sondern vom Amt durchzuführen. Das Amt trete als Träger von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung an die...

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