Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. unangemessene Größe des Grundstücks. Unterkunft und Heizung. Übernahme unabweisbarer Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur. Reparatur der ausgefallenen Heizungsanlage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeitslosengeld II kann auch der Eigentümer eines Hausgrundstückes beziehen, wenn dieses nicht verwertbar ist oder sein Wert die Vermögensfreibeträge nicht übersteigt, obwohl das Wohneigentum nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II unangemessen ist.

2. Die Übernahme der Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur nach § 22 Abs 2 S 1 SGB II ist bei selbst bewohntem Wohneigentum, das nicht angemessen iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II ist, dann nicht ausgeschlossen, wenn das Wohneigentum bereits aus anderen Gründen nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 9. November 2015 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern die notwendigen Kosten für die Instandsetzung der Heizungsanlage für die von ihnen selbst bewohnte Wohnung in A-Straße, C-Stadt, als Darlehen zu bewilligen und auszuzahlen.

Den Antragstellern wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt Dr. K. beigeordnet.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die darlehensweise Übernahme der Kosten für die Reparatur der Heizung für ihr selbstgenutztes Wohneigentum.

Die Februar 1964 und Februar 1961 geborenen, miteinander verheirateten Antragsteller beziehen seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Sie sind ohne Einkommen und bewohnen in einem Zweifamilienhaus eine 53 m2 große Wohnung, die mit einer Gasheizung beheizt wird. Die andere 70 m2 große Wohnung ist unbewohnbar. Das betreffende 4.785 m2 große Hausgrundstück erwarb die Antragstellerin mit notariellem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 24. Juni 2014, in dem der Wert des Grundstücks mit 22.000 € beziffert wurde. Die Eintragung im Grundbuch erfolgte Ende September 2014. Der Antragsgegner wertete dies als Einkommenszufluss und gewährte den Antragstellern von November 2014 bis April 2015 SGB II-Leistungen als Darlehen analog § 24 Abs. 5 SGB II i.H.v. insgesamt 5.597,08 €, für das die Antragstellerin eine Sicherungshypothek bestellte. Dabei ging der Antragsgegner davon aus, dass die Antragsteller nachgewiesen hätten, dass die sofortige Verwertung des Grundvermögens nicht möglich sei.

Die Antragsteller hatten im November 2014 einen Makler mit der Veräußerung des Hausgrundstücks u.a. mit der Maßgabe beauftragt, von einem Verkaufspreis von 45.000 € auf Verhandlungsbasis auszugehen. Der Makler teilte im März 2015 mit, dass es ihm nicht gelungen sei, einen Käufer zu vermitteln, und legte die schriftlichen Absagen von drei Kaufinteressenten vor, die ihre Absagen teilweise mit dem Sanierungsbedarf begründeten.

Für den anschließenden Zeitraum von Mai bis Oktober 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern wieder Arbeitslosengeld II als Zuschuss.

Am 13. August 2015 beantragten die Antragsteller die Übernahme der Kosten für die Reparatur ihrer Heizungsanlage und legten Kostenvoranschläge i. H. v. 3.887,71 €, 3.992,45 € und 4.030,89 € vor. In einem Kostenangebot wird angegeben, bei einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass der Wärmeaustauscher defekt und die Gasleitung stark oxidiert sei. Die Anlage sei daher stillgelegt worden. Die Reparaturkosten lägen 65 % über den Kosten für ein Neugerät.

Mit Bescheid vom 18. September 2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Reparaturkosten seien unangemessen, weil das Hausgrundstück einen Wert von 22.000,00 € habe und ein Sanierungsstau vorliege. Der hiergegen eingelegte Widerspruch ist noch nicht beschieden.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 wurden den Antragstellern Arbeitslosengeld II für November 2015 in Höhe von 946,54 €, für Dezember 2015 in Höhe von 920,72 € und von Januar 2016 bis Oktober 2016 in Höhe von monatlich 736,56 € bewilligt. Die monatlichen Leistungen setzen sich zusammen aus Regelbedarf (2 x 360 €) und Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung über einen Boiler (2 x 8,28 €) von insgesamt 736,56 € sowie - bis Dezember 2015 - den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Eine Einkommensanrechnung erfolgte nicht.

Am 29. Oktober 2015 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht Neubrandenburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und zur Begründung ausgeführt, ihre 1997 installierte Gasheizungsanlage sei seit Sommer 2015 nicht mehr funktionsfähig und von einem Fachmann aus Sicherheitsgründen stillgelegt worden, sodass die Wohnung nicht beheizt werden könne. Eigenes Vermögen für die Reparatur sei nicht vorhanden. Kreditanfragen seien von der Sparkasse N. und easyCredit abgelehnt worden. Es liege hiernach...

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