Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Zulässigkeit der Höhe des Regelsatzes

 

Orientierungssatz

Die Regelsätze der Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind jedenfalls für die Jahre 2015 und 2016 in der gesetzlichen Höhe nicht zu beanstanden und begegnen auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

1. Die Berufungen gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hamburg vom 16. August 2017 (S 28 SO 370/16, S 28 SO 372/16) werden zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2016.

Der Kläger ist 1942 geboren, schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 sowie den Merkzeichen G, RF und B.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 13. November 2015 Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis 30. November 2016 in Höhe von 622,03 Euro monatlich. Sie legte dabei einen Regelbedarf von 399 Euro, einen Mehrbedarf für ältere Menschen nach § 30 Abs. 1 SGB XII von 67,83 Euro sowie Unterkunftskosten i.H.v. 369,40 Euro zugrunde und rechnete die Altersrente des Klägers i.H.v. 214,20 Euro als Einkommen an.

Mit weiterem Bescheid vom 21. Dezember 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 in Höhe von 627,99 Euro monatlich wegen der Anerkennung eines Regelbedarfs von nunmehr 404 Euro und eines Mehrbedarfs von nunmehr 68,68 Euro.

Der Kläger legte gegen beide Bescheide - am 23. November 2015 bzw. am 5. Januar 2016 - Widerspruch ein, den er sinngemäß damit begründete, dass die gewährten Leistungen nicht auskömmlich seien.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 9. März 2016 (M/RA 3-2087/15 und M/RA 3-150/16) wies die Beklagte die Widersprüche zurück, da der Regelsatz in gesetzlicher Höhe gewährt worden und der Sozialhilfeträger an diese Entscheidung des Gesetzgebers gebunden sei.

Der Kläger hat dagegen jeweils am 26. Juli 2016 Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben (S 28 SO 370/16 und S 28 SO 372/16). Er hat vorgetragen, die Grundsicherung sei zu gering bemessen, und es bedürfe einer Anpassung der Regelsätze. Er überweise u.a. 200 Euro monatlich an seine in Indien lebende Ehefrau.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klagen mit Gerichtsbescheiden vom 16. August 2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die Leistungshöhe zutreffend ermittelt. Die Anpassung der Regelsätze erfolge nach der gesetzlichen Vorgabe des § 28a Abs. 2 SGB XII entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach Maßgabe des Urteils vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09; 1 BvL 4/09) und § 20 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (Regelbedarfsermittlungsgesetz - RBEG) vom 24. März 2011, welches rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten sei. Danach würden die Regelleistungen jedes Jahr überprüft und festgelegt. Sie errechneten sich aus einem sog. Mischindex, der sich zu 70 vom Hundert aus der relevanten Preisentwicklung und zu 30 vom Hundert aus der Nettolohnentwicklung zusammensetze. Das BVerfG habe diese Art der Berechnung in seinem Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12; 1 BvL 12/12; 1 BvL 1691/13) grundsätzlich nicht beanstandet. Das Gericht könne deshalb weder eine unrichtige Berechnung der Regelsätze noch eine grundgesetzliche Benachteiligung des Klägers erkennen. Auch die Anrechnung der Altersrente als Einkommen nach § 82 Abs. 1 SGB XII sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche dem Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII. Dass der Kläger hier - freiwillige - Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau in Indien erbringe, könne im Übrigen keine Berücksichtigung finden.

Der Kläger hat am 11. September 2017 Berufung gegen beide Urteile eingelegt (L 4 SO 62/17 und L 4 SO 66/17). Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

die Gerichtsbescheide vom 16. August 2017 (S 28 SO 370/16 und S 28 SO 372/16) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. November 2015 in der Fassung des Bescheides vom 21. Dezember 2015 und in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. März 2017 (M/RA 3-2087/15 und M/RA 3-150/16) zu verurteilen, ihm höhere Leistungen der Grundsicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffenen Entscheidungen.

Mit Beschlüssen vom 5. Dezember 2017 hat der Senat die Berufungen gegen die Gerichtsbescheide nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Am 15. Januar 2018 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Der Senat hat darin die Berufungsver...

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