Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. hier: Proteomanalyse im Urin zur Erkennung einer diabetischen Nephropathie (DNP) bei Patienten mit Diabetes mellitus und arteriellem Hypertonus (Urin-Proteomanalyse. UPA). Verfahren nach § 137e SGB 5. Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative. Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) anhand der mit Antrag eingereichten Unterlagen. keine Ausweitung der Prüfung auf weitere Forschungsergebnisse oder abgewandelte Formen der UPA im Wege der Amtsermittlung. Begrenzung der Verwendung von Versicherungsbeiträgen für Forschungsförderung auf das Nötigste. Schutzbereiche der Art 5 Abs 3, 12 Abs 1 und 14 Abs 1 GG nicht betroffen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 137e Abs 8 SGB V ist der Gemeinsame Bundesausschuss weder verpflichtet, im Wege der Amtsermittlung nach anderen als den vom Antragsteller eingereichten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu suchen und diese ggf auszuwerten, noch musste er seine Prüfung auf andere als die im Antrag bezeichneten Indikatoren erstrecken.

2. Um die im Grunde zweckwidrige Verwendung von Versicherungsbeiträgen für Forschungsförderung - auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) - auf das Nötigste zu begrenzen, ist es geboten, Methoden ohne ausreichenden Nutzenbeleg nur dann aus Mitteln der Beitragszahler zu finanzieren, wenn die Erprobungsstudie quasi den letzten Baustein umfasst, der zur abschließenden Methodenbewertung erforderlich erscheint.

3. Zum Potenzialbegriff iSv § 137e SGB V.

 

Orientierungssatz

1. In einer Fallkonstellation wie hier, in der das Begehren des Klägers darauf gerichtet ist, dass der GBA die UPA als anerkannte Untersuchungsmethode für die streitgegenständlichen Indikationen in die Anlage 1 der "Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung - Methoden-Richtlinie - MVV-RL)" (juris: MVVRL) aufnimmt, damit diese in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden kann, ist das Grundrecht des Klägers aus Art 12 Abs 1 GG nicht betroffen.

2. Der Schutzbereich von Art 14 Abs 1 GG ist vorliegend nicht betroffen, weil die Eigentumsgarantie das Erworbene, also die Ergebnisse geleisteter Arbeit schützt, Art 12 Abs 1 GG dagegen den Erwerb, mithin die Betätigung selbst (vgl BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 16/11 R = BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12 RdNr 44).

3. In seiner Wissenschaftsfreiheit wird der Kläger nicht verletzt. Der Beschluss des GBA vom 15.9.2016 hindert den Kläger nicht am wissenschaftlichen Forschen. Die Verwertung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse ist von Art 5 Abs 3 GG nicht geschützt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.09.2019; Aktenzeichen B 6 KA 17/18 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich primär gegen einen Beschluss des beklagten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), durch den das Methodenbewertungsverfahren gemäß § 135 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) bezüglich eines von ihr hergestellten und vertriebenen diagnostischen Tests - Proteomanalyse im Urin zur Erkennung einer diabetischen Nephropathie bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus und arteriellem Hypertonus (Urin-Proteomanalyse - UPA) - ausgesetzt wurde. (Nur noch) hilfsweise wendet sie sich gegen Bescheide des Beklagten, durch die ihr Antrag auf Erprobung der UPA nach § 137e Abs. 7 SGB V abgelehnt wurde.

Die diabetische Nephropathie (DNP) ist eine durch Diabetes mellitus verursachte chronische Nierenerkrankung. In Deutschland ist sie die häufigste Ursache für die Entwicklung einer (zur Dialyse oder Transplantation führenden) terminalen Niereninsuffizienz. Ursächlich für die Entstehung der DNP ist die chronische Hyperglykämie. Diese kann sowohl bei Typ 1- als auch bei Typ 2-Diabetikern, auch unter Therapie, auftreten.

Eine häufige Komorbidität bei Diabetes, vor allem bei Typ Typ 2-Diabetikern, ist der arterielle Hypertonus, der den Verlauf von chronischen Nierenerkrankungen negativ beeinflusst. Mehr als zwei Drittel aller Diabetiker in Deutschland weisen einen Hypertonus auf. Sowohl Diabetes mellitus als auch der arterielle Hypertonus kann zu mikro- und makrovaskulären Schädigungen führen, sodass neben Nierenerkrankungen auch verschiedene kardiovaskuläre Komplikationen gehäuft auftreten können.

Die DNP geht mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und in der Regel mit einer erhöhten Proteinausscheidung einher. Bereits in einem frühen Stadium kann der Proteinverlust über die Messung von Albumin im Urin abgeschätzt werden. Hierbei wird die Albumin-Kreatinin-Ratio (AKR), der Quotient aus Albuminmenge im Urin und Kreatininspiegel, als diagnostisches Kriterium empfohlen. Man unterscheidet zwischen einer Mikroalbuminurie (AKR 30 bis 299 mg Albumin/g Kreatinin) und einer Makroalbuminurie (AKR ≥ 300 mg...

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