Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Flugbegleiter. Firmenrente. nach Vollendung des 45. Lebensjahres wegen dauernder Flugdienstuntauglichkeit. nach Vollendung des 55. Lebensjahres unabhängig vom Vorliegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Versorgungsbezug. Beitragspflicht. Beitragsfreiheit

 

Orientierungssatz

Betriebliche Renten, die vorgezogen wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit erzielt werden und deshalb gemäß § 229 SGB 5 der Beitragspflicht unterliegen, werden beitragsfrei, wenn sie ab dem Monat nach Vollendung des 55. Lebensjahres auch unabhängig vom Vorliegen einer (konkreten) Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gewährt werden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2020 geändert.

Die Bescheide der Beklagten vom 7. November 2017 und 19. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2018 und des Teilanerkenntnisses von 25. Januar 2019 werden aufgehoben, soweit für die Zeit ab dem 1. Oktober 2018 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die Firmenrente nach § 2 TV LH ÜV erhoben wurden.

Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger die seit dem 1. Oktober 2018 aus der Firmenrente nach § 2 TV LH ÜV gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage des Klägers abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Feststellungswiderklage der Beklagten wird abgewiesen.

Die Beklagten haben dem Kläger 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird für die Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. November 2020 auf eine ihm von der L AG (iF L) gewährte Firmenrente Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu entrichten hat.

Der am geborene Kläger erhielt ab dem 1. Juli 2009 eine Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung Bund. Er war vom 1. Juli 2009 bis zum 30. November 2020 bei der Beklagten zu 1 in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) kranken- und bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert.

Bis zum 30. Juni 2009 war der Kläger bei der L beschäftigt. Wegen einer dauernden Flugdienstuntauglichkeit bezog er ab dem 1. Juli 2009 von der L eine vorzeitig gewährte Firmenrente nach § 2 des Tarifvertrags Übergangsversorgung für Flugbegleiter der L vom 1. Juli 2003 (iF TV LH ÜV).

§ 2 TV LH ÜV lautet wie folgt:

§ 2 Firmenrente

(1) Flugbegleiter haben einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze (§ 19 MTV Kabine) mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Tarifvertrag L-Betriebsrente haben.

(2) Die Zahlung der Firmenrente beginnt in dem Monat nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr. […]

(3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt nach einer Gesamtbeschäftigungszeit von 23 Jahren […] 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen und mit dem Umstellungsfaktor 0,9717 (100 : 95 :13 x 12) multiplizierten Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage). […]

Der Zusatzbetrag entspricht der Hälfte des jeweiligen Krankenversicherungsbeitrages (ohne Versicherung eines Krankengeldanspruchs) an die AOK Hamburg auf den Grundbetrag.

(4) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vorzeitig, wenn der/die Flugbegleiter(in) nach dem vollendeten 45. Lebensjahr dauernd flugdienstuntauglich im Sinne von § 20 MTV Kabine geworden ist. Die Zahlung der Firmenrente beginnt am Ersten des Monats nach Beendigung des fliegerischen Arbeitsverhältnisses.

(5) Im Falle der Flugdienstuntauglichkeit erfolgt auf Wunsch des Flugbegleiters/der Flugbegleiterin eine Weiterbeschäftigung am Boden, wenn die Weiterbeschäftigung unter geänderten, angemessenen Vertragsbedingungen auf einem freien, zumutbaren Arbeitsplatz möglich ist. Gleiches gilt auch im Falle der Flugdienstuntauglichkeit nach § 17.

Außer der Firmenrente nach § 2 TV LH ÜV bezog der Kläger von der L ab dem 1. Juli 2009 eine Betriebsrente nach dem Tarifvertrag L-Betriebsrente für das Kabinenpersonal (iF TV LH-Betriebsrente). In den vom Kläger vorgelegten Vergütungsabrechnungen wird die Firmenrente nach § 2 TV LH ÜV als „Übergangsversorgung“ und „Zusatzbetrag“ bezeichnet. Die Betriebsrente nach dem TV LH-Betriebsrente wird in den Vergütungsabrechnungen „Firmenrente“ genannt, ist aber von der Firmenrente nach § 2 TV LH ÜV zu unterscheiden.

Die L behielt aus der Firmenrente nach § 2 TV LH ÜV und der Betriebsrente nach dem TV LH-Betriebsrente im Wege des Zahlstellenverfahrens (§ 256 Sozialgesetz...

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