Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. rechtsstaatswidrige Verwaltungsentscheidung im Beitrittsgebiet. Feststellung von Schädigungsfolgen. Gewährung einer Beschädigtenversorgung. durch psychische Traumen/Belastungen bedingte Störungen. ursächlicher Zusammenhang. Wahrscheinlichkeit. Brückensymptome. Rehabilitierungsbehörde. Persönlichkeitsstruktur. Sachaufklärung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Anerkennung als Schädigungsfolge setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Gesundheitsstörung voraus. Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann als (Mit-)Ursachen zu werten, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind. Kommt hingegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, gilt dieser Umstand als alleinige Ursache.

 

Normenkette

VwRehaG §§ 1, 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 2, § 12 Abs. 1, 4; SGG §§ 106, 109

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.02.2012; Aktenzeichen B 9 V 17/11 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz - VwRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)/einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 v. H für den Zeitraum ab dem 1. August 2002.

Der 1942 geborene Kläger hat im Beitrittsgebiet am 28. Juni 1967 den akademischen Grad eines Diplom-Landwirts erworben. Nach erfolgreichem Abschluss des postgradualen Studiums “Tierzucht„ wurde ihm am 16. Dezember 1983 zur Ergänzung der Berufsbezeichnung die Bezeichnung Tierzuchtleiter verliehen. Von Juli 1997 bis zum 22. November 1988 war er bei dem Volkseigenen Gut (VEG) W beschäftigt, zuletzt als Hauptabteilungsleiter Schweinezucht. Am 15. August 1988 hatte der Kläger von dem Direktor des Volkseigenen Kombinates I B eine Zusage für die Einstellung als Abteilungsleiter Futterwirtschaft erhalten. Tag der Arbeitsaufnahme sollte der 3. Oktober 1988 sein. Der Kläger schloss mit dem VEG W einen Aufhebungsvertrag zum 15. Oktober 1988 und arbeitete seinen Nachfolger ein. Am 5. September 1988 flüchtete der Sohn des Klägers über die damalige Staatsgrenze in das Bundesgebiet. Daraufhin wurde dem Kläger am 4. Oktober 1988 vom Volkseigenen Kombinat IT B auf Weisung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR mitgeteilt, dass seine Einstellung als Mitglied der Kombinatsleitung nicht erfolgen könne. Seine hiergegen gerichtete Klage wies das Kreisgericht Königs-Wusterhausen mit Urteil vom 16. Dezember 1988 ab. Bis zum 15. Januar 1989 war der Kläger ohne Arbeit und begann am 16. Januar 1989 eine Tätigkeit als Projektant bei dem VEB DB.

Mit der Rehabilitierungsbescheinigung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 20. Mai 1998 nach dem Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG -) stellte der Beklagte fest, dass der Kläger Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG sei und die Verfolgungszeit vom 23. November 1988 bis zum 2. Oktober 1990 gedauert habe. Mit der Rehabilitierungsentscheidung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 5. Juli 2002 nach dem VwRehaG stellte der Beklagte fest, dass die Ablehnung der Einstellung als leitender Mitarbeiter nach bereits erfolgter Zusage auf Weisung des MfS durch das Volkseigene Kombinat IT B, MfS der ehemaligen DDR, am 4. Oktober 1988 mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar sei, und erklärte diese Maßnahme für rechtsstaatswidrig.

Mit Bescheid vom 16. November 2001 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 2. Oktober 2001 auf der Grundlage eines am 2. Mai 2000 eingetretenen Versicherungsfalls für den Zeitraum ab 14. März 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer.

Im Juli 2002 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Zur Begründung führte er aus: Die Folgen der Flucht seines Sohnes in das Bundesgebiet (Arbeitslosigkeit, Demütigungen, Befragungen durch den Staatssicherheitsdienst, Angst, Geldsorgen) hätten ihn, den Kläger, seelisch extrem belastet. Er sei für das Verhalten seines Sohnes bestraft worden, der ohne sein Wissen gehandelt habe. Es seien psychosomatische Störungen aufgetreten. Auch nach der Wiedervereinigung sei er fortlaufend unterha...

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