Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Übernahme doppelter Kosten für Unterkunft bei Auszug wegen Unterbringung im Pflegeheim. Verzögerung wegen Erfordernis der betreuungsgerichtlichen Genehmigung der Wohnungskündigung. keine Belastung des Vermieters

 

Orientierungssatz

1. Überschneidungskosten, die wegen Beendigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung nach vorzeitig notwendig gewordenem Umzug in eine stationäre Einrichtung entstanden sind, sind Teile des Anspruchs auf Unterkunftskosten nach §§ 42 S 1 Nr 2, 29 Abs 1 S 1 SGB 12.

2. Entsprechend den bereits von der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (juris: BSHG) entwickelten Grundsätzen sind ausnahmsweise doppelte Mietaufwendungen als sozialhilferechtlicher Bedarf zu übernehmen, wenn der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig war und deswegen die Mietzeiträume wegen der Kündigungsfrist nicht nahtlos aufeinander abgestimmt werden konnten.

3. Unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung ist anzuerkennen, dass die zum Schutz eines Betreuten vom Gesetzgeber getroffene Regelung in § 1907 Bürgerliches Gesetzbuch (juris: BGB) nicht dem Vermieter angelastet wird. Dem Sozialhilferecht ist kein Strukturprinzip zu entnehmen, das es rechtfertigen könnte, das wirtschaftliche Risiko für die aus dieser staatlichen Inschutznahme resultierenden Mietbelastungen auf den Vermieter abzuwälzen (vgl BVerwG vom 30.12.1997 - 5 B 21/97). Ist eine Verzögerung von 3 Monaten bis zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung eines Betreuers eingetreten und ist das Verfahren seitens des Betreuten zügig betrieben worden, darf die gerichtsbedingte Verzögerung nicht dem Vermieter angelastet werden.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. Dezember 2008 und der Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 werden geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 752,04 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Übernahme von Miet- und Betriebskosten (Nachforderungen) nur noch bis zum 31. Januar 2008 nach der im September 2007 erfolgten Aufnahme der Klägerin in einem Pflegeheim.

Die 1933 in T geborene Klägerin bewohnte seit 1985 eine 1-Zimmer-Wohnung, für die sie ausweislich des Mietvertrages einen Mietzins von anfangs 520,00 DM und 100,00 DM als Heizkostenvorauszahlung zu entrichten hatte. Das Mietverhältnis konnte mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden. Der Mietzins betrug zuletzt im Jahr 2007 358,38 Euro inklusive einer Vorauszahlung auf die Heizkosten von 53,69 Euro. Die Klägerin bezieht aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente, die ab 01. Juli 2007 in Höhe von monatlich 329,10 Euro gezahlt wurde. Daneben erhielt sie bis zum 30. September 2007 Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - sowie Hilfe zur Pflege für die Kosten einer privaten Pflegeperson. Nachdem sie zunächst mit Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 08. März 2005 mit einem Grad der Behinderung - GdB - von 20 anerkannt worden war, ist sie nunmehr auf ihren Antrag vom 21. November 2007 als Schwerbehinderte mit einem GdB von 80 unter Zuerkennung der Merkzeichen B, G und H anerkannt (Bescheid vom 18. September 2009, Funktionsbeeinträchtigungen: Beeinträchtigung der Gehirnfunktion; Psychische Krankheit, Funktionsbehinderung des Kniegelenkes, Bluthochdruck).

Seit dem 03. Juli 2007 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung, wie dem Beklagten nachträglich bekannt wurde. Im August wurde ausweislich des am 10. August 2007 ausgestellten Betreuerausweises eine (vorläufige) Betreuung mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheits- und Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten veranlasst (endgültige Bestellung durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 11. Dezember 2007). Da die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in ihre Wohnung zurückkehren konnte, wurde sie am 25. September 2007 im Pflegeheim P S Residenz Kdamm aufgenommen. Dafür beantragte die Betreuerin Rechtsanwältin S am 24. September 2007 die Übernahme der Kosten und verwies auf die vorläufige Einstufung der Klägerin in Pflegestufe 2 (Bescheid der Barmer - Pflegekasse - vom 06. September 2007).

Der Beklagte korrigierte daraufhin einerseits mit Änderungsbescheid vom 24. September 2007 den (letzten) Bewilligungsbescheid vom 19. Juli 2007, wonach u. a. der Klägerin für September 2007 wegen des Krankenhausaufenthaltes ergänzende Leistungen der Grundsicherung nur noch in Höhe von 119,50 Euro zustanden. Andererseits teilte er der Betreuerin mit Schreiben vom 26. September 2007 ...

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