Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegeunfall. Arztbesuch. betriebliche Handlungstendenz. privatwirtschaftliche Verrichtung. Ausweitung des Versicherungsschutzes auf Vorbereitungshandlungen, besonders enger sachlicher, zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Verkehrsunfalls vom 25. November 2019 als Arbeitsunfall.

Die 1959 geborene Klägerin wohnte zum Unfallzeitpunkt in der Schstr. in B und arbeitete als Erzieherin in einer Kita in der F-Str. in B. Am 25. November 2019 begab sie sich in die Arztpraxis von Frau Dr. R in der KStr in B. Nach dem Verlassen der Arztpraxis gegen 10.20 Uhr kollidierte die Fahrrad fahrende Klägerin auf Höhe der KStr. mit der kurz zuvor geöffneten Tür eines dort parkenden Fahrzeuges und stürzte. Sie erlitt dabei eine Hüftpfannenfraktur links sowie multiple Prellungen und wurde zunächst drei Tage stationär behandelt. Hinsichtlich des weiteren medizinischen Verlaufs wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Bei ihrer Erstvorstellung beim Durchgangsarzt Dr. A gab die Klägerin an, mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit gewesen zu sein, als sich der Unfall ereignete. Auch in der von der Arbeitgeberin erstellten Unfallanzeige war angegeben, dass sich die Klägerin auf dem Weg zur Arbeit befand. Im Rahmen der weiteren Befragung zur Ermittlung des Weges gab die Klägerin im Unfallfragebogen der Beklagten am 15./17. Dezember 2019 an, von der Arztpraxis von Frau Dr. R auf dem Weg zur Arbeit gewesen zu sein. Dieser Weg sei mit dem Fahrrad etwa zwei Minuten länger als der direkte Weg von der Wohnung. Zu der Frage, weshalb sie am Unfalltag einen vom gewöhnlichen Weg abweichenden Weg gewählt habe, gab sie Folgendes an (BI. 51 der Verwaltungsakte der Beklagten): „Ich hatte um 09.40 einen Arzttermin bei Fr. Dr. R wegen einer Frage zu Medikamenten/ Fußnagel." Sie gab weiter an, dass sie sich zwischen 09.40 Uhr und 10.20 Uhr in der Praxis aufgehalten habe und der Unfall zwischen 10.20 Uhr und 10.30 Uhr geschehen sei. Aus einem dem Unfallfragebogen beigefügten und von der Klägerin beschrifteten Kartenausdruck ergab sich, dass die Klägerin, um zur Arztpraxis zu gelangen, von ihrem üblichen Weg, der von der Bstraße über die straße führt, an der KreuzungBstraße/ K-Str-W-straße in die K-Str abgebogen war und sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Rückweg in der KStr befand, die KreuzungBstraße/ K-Str-W-straße und damit den üblichen Weg aber noch nicht wieder erreicht hatte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. Februar 2020 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Die Klägerin habe sich noch nicht wieder auf dem direkten unmittelbaren Weg zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte befunden. Dieser Weg wäre erst mit Erreichen der Kreuzung Bstraße/Wstraße erreicht worden. Sie habe den kürzesten bzw. verkehrsgünstigsten, unmittelbaren Weg zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle unterbrochen bzw. noch nicht wiederaufgenommen gehabt. Der Arztbesuch sei eine privatwirtschaftliche eigennützige Tätigkeit. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 16. März 2020 machte die Klägerin geltend, es komme darauf an, dass die Aufnahme des Weges von dem Willen bestimmt sei, den Arbeitsort zu erreichen, daher müsse nicht etwa die Wohnung der Ausgangspunkt sein. Der Arztbesuch habe zudem der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gedient, denn wegen der Entzündung des Nagelbettes sei eine ärztliche Behandlung erforderlich gewesen. Der Versicherungsschutz lebe jedenfalls dann wieder auf, wenn der Versicherte innerhalb von zwei Stunden den Weg zur Arbeit fortsetze. Dies sei hier der Fall gewesen, nach dem Unfallfragebogen sei der Termin um 09.40 Uhr gewesen, der Unfall habe sich um 10.20 Uhr ereignet.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2020 zurück. Die Klägerin habe sich auf einem unversicherten Abweg befunden. Sie habe auch nicht von einem dritten Ort den Weg zur Arbeit wieder aufgenommen, da sie sich dort weniger als zwei Stunden aufgehalten habe. Es handele sich vielmehr um einen Zwischenort. Versicherungsschutz beim Besuch der Arztpraxis aufgrund der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bestehe nur in sehr engen Grenzen und dabei insbesondere nur bei dem plötzlichen/unerwarteten Eintreten von gesundheitlichen Beschwerden auf dem Weg zur Arbeit. Die Klägerin habe den Termin aber zur Klärung von Fragen zuvor vereinbart gehabt.

Die Klägerin hat am 14. Juli 2020 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben und ihr Ziel der Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall weiterverfolgt. Sie hat gemeint, es liege ein Wegeunfall vor, denn sie habe sich nach Beendigung des Besuchs in der Arztpraxis um 10.20 Uhr auf dem kürzesten und schnellsten Weg zur Arbeit, die ...

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