Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung. Rechtsfrage. Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigem Inhalt. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietspiegel als Grundlage eines schlüssigen Konzepts

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einschätzung des erkennenden Gerichts, dass die Mietspiegel 2011 und 2013 nicht zur Grundlage eines schlüssigen Konzepts iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gemacht werden können, wirft keine Rechtsfrage auf, denn es geht dabei nur um die Klärung von Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigem Inhalt.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde vom 24. März 2016 gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2016 ist zulässig, aber unbegründet.

Mit Urteil vom 17. März 2016 hat das Sozialgericht Berlin dem Kläger weitere Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Januar bis Juli 2013 in Höhe von 30,78 Euro monatlich zugesprochen. Das Sozialgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Berliner Wohnungsmarkt in den Jahren seit 2010 rasanten Preissteigerungen unterworfen gewesen sei, weswegen die Mietspiegel 2011 und 2013 keine belastbare Tatsachengrundlage für ein so genanntes schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Mietobergrenzen für einen bestimmten Vergleichszeitraum seien. Folglich seien in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R) die tatsächlichen Kosten bis zum Höchstbetrag der Wohngeldtabelle für die einschlägige Mietstufe zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent zu übernehmen. Die Berufung hat das Sozialgericht nicht zugelassen.

Gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Geld- oder Sachleistung oder einem entsprechenden Verwaltungsakt 750 Euro nicht übersteigt (Abs. 1 Nr. 1) und es sich nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr handelt. Da vorliegend für 7 Monate weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 30,78 Euro zugesprochen wurden, ergibt sich, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 Euro nicht erreicht wird und das Urteil damit nicht berufungsfähig ist.

Die Berufung war auch nicht zuzulassen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs. 2 Nr. 1)

2. das Urteil von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Abs. 2 Nr. 2)

3. oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Abs. 2 Nr. 3).

Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtfrage ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Berufungsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben erforderlich erscheint. Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.

Soweit im Berufungsverfahren allein die Klärung von Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigem Inhalt begehrt wird, ist dies für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht ausreichend (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 144 Rdnr. 29).

Vorliegend hat der Beklagte keine abstrakte Rechtsfrage in klärungsfähigem und klärungsbedürftigem Sinne dargelegt. Er wendet sich mit seiner Beschwerde vielmehr gegen die Einschätzung des Sozialgerichts Berlin, dass die Mietspiegel 2011 und 2013 keine Grundlage für ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der abstrakten Mietobergrenzen seien. Er meint, die maßgebliche Orientierung der Rechtsprechung des Berliner Sozialgerichts sei das Konzept nach Schifferdecker/Irrgang/Silbermann (Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin. Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010 Nr. 1, 28 bis 42). Dieses Konzept hab...

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