Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Ablehnungsgesuch. Kammerablehnung

 

Orientierungssatz

1. Das Institut der Richterablehnung ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wenden.

2. Behauptete Rechtsverstöße rechtfertigen nur dann eine Besorgnis der Befangenheit, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht.

3. Meinungsäußerungen eines Richters sprechen nicht gegen dessen Unvoreingenommenheit und Objektivität. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich aber aus der Art und Weise ergeben, wie ein Richter seine Meinung vorträgt.

 

Tenor

Das Gesuch des Antragstellers, die Richterin am sowie die ehrenamtlichen Richterinnen und wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts sowie gegen die ehrenamtlichen Richterinnen der mündlichen Verhandlung vom . Juni 2006 ist zulässig, da sich der Antragsteller nicht rundweg gegen die Kammer als solche wendet. Er erhebt vielmehr jedenfalls auch individualisierte Vorwürfe gegen jede der Richterinnen.

Der Ablehnungsantrag ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 60 SGG i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung einer Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass die Richterin nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist also nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein" der Parteilichkeit, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Insbesondere kann das Verhalten des Richters im Prozess die Besorgnis der Befangenheit begründen. Je nach den Umständen reicht gegebenenfalls schon das Übergehen eines bestimmten Vortrags oder Antrags eines Beteiligten oder die fehlende Bereitschaft, das Vorbringen einer Partei vollständig zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen.

Solche Gründe liegen nicht vor:

Der Antragsteller rügt, die Vorsitzende habe es in der mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt, der Beklagten die Vorlage von Unterlagen aufzugeben bzw. die Verhandlung zu vertagen, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ferner sollen die aus seiner Sicht angezeigten rechtlichen Hinweise nicht erteilt worden sein. Die ehrenamtlichen Richter seien ihm nicht vorgestellt worden. Gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung habe die Vorsitzende die Entscheidung mitgeteilt, dass alle Anträge unbegründet seien. Nur die Beklagte haben vortragen dürfen und unpassend von SED bzw. PDS in Zusammenhang mit ihm geredet. Ihm hingegen sei das Wort abgeschnitten worden, seine Beweisanregungen seien übergangen worden. Das Protokoll des Verhandlungstermines sei unrichtig, u. a. habe die Vorsitzende gar kein Aufzeichnungsgerät benutzt.

Ein Ablehnungsgesuch kann nicht darauf gestützt werden, dass von einem Richter unrichtige Entscheidungen in materieller oder in verfahrensrechtlicher Hinsicht getroffen worden seien. Das Institut der Richterablehnung ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wenden.

Behauptete Rechtsverstöße können eine Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruhe.

Dafür ist hier nichts ersichtlich:

Aufgrund der eingeholten dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden ist anzunehmen, dass der Antragsteller den Ablauf der mündlichen Verhandlung und die Erörterungen missverstanden hat. Es ist davon auszugehen, dass die Verhandlung mit der Einführung in den Akteninhalt begonnen hat und nicht mit der Mitteilung, alle Ansprüche seien unbegründet. Der Umfang der Darstellung des Akteninhaltes und die Leitung der mündlichen Verhandlung -zum Beispiel die Einschätzung, wann der Vortrag eines Beteiligten unterbrochen werden darf- liegt im richterlichen Ermessen des Vorsitzenden.

Ob der Sachverhalt bereits ausreichend ermittelt ist, oder ob noch Unterlagen förmlich eingeführt werden müssen und/oder Zeugen anzuhören sind, wird sich im weiteren Verfahren zeigen. Sollte der Antragsteller mit seinen Anträgen bis zum Abschluss des Verfahrens nicht durchdringen, kann er gegen ein Urteil Rechtsmittel einlegen. Das Ablehnungsverfahren ist hierfür nicht gedacht.

Auf das Gesuch des Klägers, die Akte ein...

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