Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnungsgesuch. Äußerung in mündlicher Verhandlung. ehrenamtlicher Richter. Unterbrechen. Ausladen. Besorgnis der Befangenheit. Richterlicher Hinweis

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Hinweis des Richters zur Rechtslage begründet i.d.R. keine Besorgnis der Befangenheit, es sei denn, der Richter lässt in ungewöhnlicher, nach der Prozesslage nicht verständlicher Weise subjektive Gewissheit erkennen, so dass für die Beteiligten Anlass für die Annahme besteht, er sei ihren Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen.

 

Normenkette

SGG § 60; ZPO § 42 Abs. 1-2

 

Tenor

Das Gesuch des Klägers, den ehrenamtlichen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Ablehnungsgesuch ist jedenfalls unbegründet. Zweifel an der Zulässigkeit können deshalb dahingestellt bleiben.

Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung.

Für richterliche Hinweise - auch durch einen ehrenamtlichen Richter in der mündlichen Verhandlung - gilt, dass Meinungsäußerungen eines Richters nicht gegen dessen Unvoreingenommenheit und Objektivität sprechen. Solche Hinweise eines Richters liegen im Allgemeinen im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten. Diesen ist gewöhnlich daran gelegen, die Einstellung des Richters zu den für den Prozessausgang maßgeblichen rechtlichen Problemen zu erfahren. Auf diese Weise erhalten sie Gelegenheit, ihre eigene, von der des Richters abweichende Ansicht näher zu erläutern und dabei zusätzliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte stärker hervorzuheben. Eine verständige Partei wird diesem Verfahren den Vorzug geben vor einer eher passiven richterlichen Prozessleitung, welche die Beteiligten auf sich allein gestellt lässt (vgl. Bundesfinanzhof [BFH] Beschluss vom 25. 01.1996 -X B 130/95- zitiert nach Juris). Dies schließt gegebenenfalls auch den Rat ein, die Klage zurückzunehmen. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich allenfalls aus der Art und Weise ergeben, wie ein Richter seine Meinung vorträgt. Ein Grund kann bestehen, wenn der Richter in ungewöhnlicher, nach der Prozesslage nicht verständlicher Weise subjektive Gewissheit erkennen lässt, so dass die Beteiligten Anlass haben können zu befürchten, er sei ihren Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen und habe sich seine Auffassung schon abschließend gebildet.

Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht glaubhaft gemacht worden. Alleine aus dem Einwand, rechtliche Ausführungen für nicht relevant zu halten, folgt dies nicht, auch wenn der Richter dabei den Bevollmächtigten unterbrochen haben sollte. Zum gebotenen Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung kann nämlich im Einzelfall gerade auch das Unterbrechen gehören, wenn aus Sicht des Richters Entscheidungsunerhebliches breit erörtert wird.

Auch der inkriminierte Satz, der Anwalt werde doch für sein Auftreten vor Gericht bezahlt, lässt aus der gebotenen objektivierten Sicht keinen Rückschluss auf eine Voreingenommenheit des Richters dem Kläger gegenüber zu. Dies ergibt sich hier jedenfalls aus dem unstreitigen Sachverhalt, dass es sich insoweit um die Erwiderung auf die Äußerung des Bevollmächtigten gehandelt hat, er könne sich (dann) weitere Ausführungen sparen, zumal der Kläger der Sachverhaltsdarstellung durch den ehrenamtlichen Richter, der Bevollmächtigte sei bereits aufgestanden gewesen, nicht widersprochen hat. Wer so vor Gericht auftritt, muss sich auch eher deutliche Reaktionen gefallen lassen, ohne dass objektiv der Eindruck von Voreingenommenheit entsteht.

Für die Annahme, die Äußerung habe den im Ablehnungsgesuch vorgebrachten (abwertend gemeinten) Sinn gehabt, gibt es aus Sicht des Senats keine objektiven Anhaltspunkte. Objektiv bestand auch kein Anlass beleidigt zu sein. Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass der ehrenamtliche Richter in despektierlicher Weise den Kläger oder seinen Bevollmächtigten ausgelacht haben könnte.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1777737

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