Entscheidungsstichwort (Thema)

Spätaussiedler. Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte bei Zusammentreffen von Witwenrente und Rente aus eigener Versicherung

 

Orientierungssatz

§ 22b Abs 1 S 1 FRG findet als Ausdruck des vom Gesetzgeber bewusst vollzogenen Systemwechsels hin zu einer bedürftigkeitsorientierten bzw existenziellen Grundsicherung auf der Grundlage eines auf den rentenrechtlichen Wert von 25 Entgeltpunkte festgesetzten Bedarfs damit gerade auch beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente mit der Rechtsfolge Anwendung, dass dann, wenn für die Rente aus eigener Versicherung bereits 25 Entgeltpunkte zum Erhalt der Grundsicherung zugrundegelegt worden sind, für eine Hinterbliebenenrente keine weiteren FRG-Entgeltpunkte mehr berücksichtigt werden können, mit der Folge, dass die Hinterbliebenenrente nicht gezahlt wird (Abweichung von BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 118/00 R = SozR 3-5050 § 22b Nr 2; Abweichung von LSG Stuttgart vom 1.7.2003 - L 11 RJ 511/03 sowie vom 9.9.2003 - L 11 RA 1293/03).

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Witwenrente, insbesondere die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte (EP) für anrechenbare Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) im Hinblick auf das Zusammentreffen von eigener Rente und Hinterbliebenenrente.

Die ... 1934 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin zog am 16.12.2000 von dort in die Bundesrepublik zu und ist als Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt. Ihr ... 1925 geborener Ehemann P W (W.) verstarb ... 2000 noch in der ehemaligen Sowjetunion. Versicherungszeiten in der Deutschen Rentenversicherung haben beide nicht zurückgelegt. Mit Rentenbescheid vom 2.3.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 16.12.2001 Regelaltersrente, wobei die zu Grunde liegenden EP nach § 22 b FRG auf 25 EP begrenzt worden waren.

Am 9.1.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente.

Mit Bescheid vom 16.3.2001 anerkannte die Beklagte den Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung des W. ab 16.12.2000 und entschied, dass eine Rentenzahlung nicht möglich sei, weil keine EP zu Grunde gelegt werden könnten. Nach § 22 b FRG würden für einen Berechtigten höchstens 25 EP für FRG-Zeiten zu Grunde gelegt. Dabei erfolge die Berücksichtigung dieser EP vorrangig bei der Rente aus eigener Versicherung. Da die Klägerin eine Rente aus eigener Versicherung beziehe, in der bereits 25 EP enthalten seien, die auf FRG-Zeiten entfielen, könnten bei der Witwenrente keine FRG-EP mehr angerechnet werden und W. habe auch keine zusätzlichen Beitragszeiten in Deutschland zurückgelegt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 23.1.2002 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Witwenrente bzw. - sinngemäß - die Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 16.3.2001 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 30.8.2001 - B 4 RA 118/00 R -, wonach § 22 b FRG u. a. bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift ("anrechenbare Zeiten", "Berechtigte") sowie unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltsersatzfunktion einer Hinterbliebenenrente nicht anwendbar sei, wenn ein Begünstigter neben einem Recht auf Rente aus eigener Versicherung noch ein (abgeleitetes) Recht auf eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehegatten habe.

Mit Bescheid vom 2.8.2002 und Widerspruchsbescheid vom 25.9.2002 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 16.3.2001 und die Neufeststellung der Hinterbliebenenrente mit der Begründung ab, nach Auffassung der Rentenversicherungsträger sei der Entscheidung des 4. Senats des BSG - über den Einzelfall hinaus - nicht zu folgen, da sowohl nach Gesetzeswortlaut als auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes eindeutig auch die Hinterbliebenenrente von der Begrenzungsregelung erfasst werde. Mit der Einführung des § 22 b FRG habe der Gesetzgeber nämlich für alle Personen, die ab dem 7.5.1996 in die Bundesrepublik zugezogen seien, das bisher geltende Eingliederungsprinzip durch das Bedürftigkeitsprinzip ersetzt. Die Renten dieser Spätaussiedler sollten sich nur noch an der Höhe der Eingliederungshilfe orientieren, wobei der Gesetzgeber besondere Regelungen für die Hinterbliebenenrente nicht im Auge gehabt habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Hinterbliebene anders als andere Alleinstehende habe behandeln wollen.

Dagegen hat die Klägerin am 22.10.2002 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren im Wesentlichen gestützt auf die Rechtsprechung des BSG weiterverfolgt hat.

Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.11.2002 - S 9 RJ 2074/02 - entgegengetreten, wonach der Entscheidungen des 4. Senats des BSG nicht zu folgen sei, weil zum einen § 22 b FRG seinem Wortlaut nach auch den Fall umfasse, dass ein Versicherter sein Rentenrecht bzw. seine Rentenrechte auf mehrere Anspruchsgrund...

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