Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsbeitrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Für eine Reduzierung von Beiträgen zur gesetzlichen Renten-, gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung wegen der Erziehung von Kindern und der sich daraus ergebenden Unterhaltslast fehlt eine Anspruchsgrundlage. Ein solcher Anspruch läßt sich auch nicht aus der staatlichen Förderungspflicht von Familien im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung ableiten. Die uneingeschränkte Heranziehung von Eltern zu den Renten- und Krankenversicherungsbeiträgen sowie zur sozialen Pflegeversicherung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG und auch nicht gegen das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG).

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Stuttgart vom 27.1.2012 - L 4 KR 3984/10, das vollständig dokumentiert ist.

 

Normenkette

SGB IV § 28h Abs. 2; SGB VI § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 153 Abs. 1, 2 S. 1, § 168 Abs. 1 Nr. 1, §§ 157, 161 Abs. 1, § 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 160, 158 Abs. 2; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1, §§ 220, 223 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 226 Abs. 1 Nr. 1, § 249 Abs. 1 S. 1, § 241a; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 57 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nrn. 2-3, § 58 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 14, 1, 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.07.2017; Aktenzeichen B 12 KR 13/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Beiträge der Kläger zur gesetzlichen Renten-, gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 28. Juni 2006.

Der 1957 geborene Kläger zu 1) ist seit 01. Oktober 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der beigeladenen Pädagogischen Hochschule F. (Beigeladene zu 4) versicherungspflichtig beschäftigt. Er war bis 30. September 2007 mit 50 vom Hundert (v.H.) teilzeitbeschäftigt und ist seither in Vollzeit tätig. Bis 31. Oktober 2006 war er in BAT 1b eingestuft, seit dem 01. November 2006 wird er nach der Entgeltgruppe 14 entlohnt. Nach seinen Angaben betrug sein Bruttojahresverdienst im Jahr 2007 € 39.500,04. Seine eigenen (Arbeitnehmeranteil) Beiträge zur Rentenversicherung beliefen sich nach seiner Aufstellung im Jahr 2007 auf € 3.956,98, zur Krankenversicherung auf € 2.867,32 und zur Pflegeversicherung auf € 300,91. Die 1962 geborene Klägerin zu 2) ist seit 17. September 2001 mit einem wechselnden Zeitumfang zwischen 50 v.H. und 75 v.H. als Diplom-Heilpädagogin bei der beigeladenen Arbeiterwohlfahrt (Beigeladene zu 3) versicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist eingruppiert nach BMT-AW II Vergütungsgruppe IV b. Ihr Bruttojahresverdienst betrug nach ihren Angaben im Jahr 2007 bei einer Beschäftigung im Umfang von 75 v.H. € 28.963,57. Ihre eigenen Beiträge zur Rentenversicherung beliefen sich nach ihrer Aufstellung im Jahr 2007 zur Rentenversicherung auf € 2.881,89, zur Krankenversicherung auf € 2.346,03 und zur Pflegeversicherung auf € 318,59. Die Kläger sind verheiratet und Eltern von zwei in den Jahren 1993 und 1996 geborenen Kindern, für die ihnen im Jahr 2007 Kindergeld in Höhe von € 3.696,00 gewährt wurde. Beide Kläger sind bei der Beklagten kranken-, bei der Beigeladenen zu 1) renten- und bei der Beigeladenen zu 2) pflegeversichert.

Am 17. Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03. April 2001 (1 BvR 1629/94 in BVerfGE 103, 242 bis 271), wonach es nicht mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei, dass “Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuten und erzögen mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet würden„ (Anführungszeichen im Original) und der Gesetzgeber beauftragt worden sei, diese Frage für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung zu prüfen, bei der Beitragserhebung zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung den Unterhalt und die Erziehungs- und Betreuungsleistungen für ihre beiden Kinder zu berücksichtigen. Die Erfüllung dieser Aufgaben mindere ihre Leistungsfähigkeit und sei als Beitragsäquivalent zu berücksichtigen. Bisher sei die Entscheidung des BVerfG nach ihrer Auffassung im Rahmen der Pflegeversicherung nicht ausreichend/nicht verfassungsgemäß umgesetzt worden. Aus dem weitergehenden Prüfauftrag des BVerfG habe die alte Bundesregierung keine Konsequenzen gezogen und auch die neue Bundesregierung sei hierzu offenbar ebenfalls nicht gewillt.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2006 - ohne Rechtsbehelfsbelehrung - lehnte die Beklagte den Antrag auf Herabsetzung der Beiträge ab. Der Gesetzgeber habe die Auflage des BVerfG im Urteil vom 03. April 2001, wonach die Kindererziehungsleistung in der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt we...

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