Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Vermögenseinsatz. Abgrenzung zum Einkommen. Erbschaft. modifizierte Zuflusstheorie. Zufluss im Zeitpunkt des Erbfalles. Maßgeblichkeit des Beginns des Leistungszeitraumes

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Abgrenzung von Vermögen und Einkommen nach der modifizierten Zuflusstheorie kommt es bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII nicht auf den Tag der Antragstellung an, sondern auf den Tag, ab dem Leistungen beantragt werden.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2016 abgeändert.

Der Bescheid vom 23. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 wird aufgehoben, soweit die Bewilligung von Eingliederungshilfe für den Monat August 2014 i.H.v. mehr als 344,88 Euro, für den Monat September i.H.v. mehr als 52,93 Euro und für die Monate Oktober 2014 und November 2014 insgesamt aufgehoben und die Erstattung von insgesamt mehr als 397,87 Euro festgesetzt worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für betreutes Wohnen. Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für die Zeit vom 15. August bis 14. November 2014 und begehrt die Gewährung von Leistungen (auch) für die Zeit vom 15. November 2014 bis 31. Januar 2015. Streitig ist zwischen den Beteiligten insbesondere die Berücksichtigung einer Erbschaft.

Der ledige Kläger ist 1979 geboren. Er leidet an erheblichen psychischen Störungen (Arztbrief des Prof. Dr. B. vom 20. November 2013: kombinierte Persönlichkeitsstörung, posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende depressive Störung, psychische und Verhaltensstörungen durch Schmerzmittel, Zwangshandlungen). Unter anderem vom 1. März bis zum 31. August 2014 bezog er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Jobcenter H. (Bescheid vom 18. Februar 2014). Mit Bescheid vom 20. August 2014 bewilligte ihm das Jobcenter H. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für September 2014 bis August 2015.

Am 10. Februar 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, er werde voraussichtlich Anfang März 2014 zur stationären Behandlung im Z. für seelische Gesundheit (Borderline-Behandlungsstation) aufgenommen. Im Anschluss daran wolle er in das betreute Wohnen der Beigeladenen wechseln und beantrage ab Aufnahme dort Eingliederungshilfeleistungen. Abgesehen von den Leistungen des Jobcenters und einem Sparbuch (1.204,88 Euro) verfüge er nicht über Einkommen oder Vermögen.

Zwischen dem 29. Juni 2014 und dem 8. August 2014 verstarb der Vater des Klägers; Erben sind seine drei Kinder (neben dem Kläger noch die weiteren Söhne T. und S.) zu je einem Drittel (Gemeinschaftlicher Erbschein des Amtsgerichts P. vom 1. Oktober 2014).

Vom 15. August 2014 bis 31. Januar 2015 wurde der Kläger in seiner Wohnung durch die Beigeladene, einem Erbringer von Eingliederungshilfeleistungen, betreut. Die Aufnahme des Klägers teilte die Beigeladene der Beklagten mit E-Mail vom 20. August 2014 mit und bat um eine „Kostenzusage“.

Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21. August 2014 Eingliederungshilfe (Teilnahme am ambulant betreuten Wohnen bei der Beigeladenen) für die Zeit vom 15. August bis „zunächst“ 14. November 2014 in Höhe des vereinbarten Vergütungssatzes von „derzeit“ monatlich 567,05 Euro.

Im Oktober 2014 wurde der Beklagten bekannt, dass der Vater des Klägers schon vor der Leistungsbewilligung verstorben und der Kläger Miterbe geworden ist.

Mit Schreiben vom 11. November 2014 bezifferte ein Bruder des Klägers, der die Abwicklung des Nachlasses übernommen hatte, gegenüber dem Kläger die Erbsumme pro Person auf voraussichtlich 3.826,59 Euro, woraus sich zu Gunsten des Klägers unter Berücksichtigung von ihm vorab beglichener Nachlassverbindlichkeiten ein Auszahlungsbetrag von 3.880,09 Euro ergebe.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 teilte der Kläger der Beklagten auf deren Nachfrage zu ungeklärten Kontenbewegungen mit, er habe während seines Studiums (bis September 2012) an verschiedenen medizinischen Studien als Proband teilgenommen. Die hieraus erzielten Honorare habe er auf das Konto seiner Mutter überwiesen bzw. eingezahlt, da dort eine höhere Rendite als auf seinem Sparkonto habe erzielt werden können. Da er in der letzten Zeit mehrere Anschaffungen habe durchführen müssen, habe er seine Mutter gebeten, ihm die entsprechende Summe in Teilbeträgen je nach Bedarf auszuzahlen.

Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 23. Januar 2015 nahm die Beklagte ihren Bescheid vom 21. August 2014 zurück und verlangte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von 1.965,77 Euro. Die Leistungsbewill...

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