Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme des Andickungsmittels Thick & Easy. Verfassungsmäßigkeit der eingeschränkten Öffnung des Leistungskatalogs für Nahrungsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

Das Andickungsmittel Thick & Easy ist kein Arzneimittel.

 

Orientierungssatz

1. Das Andickungsmittel Thick & Easy ist auch kein arzneimittelähnliches Medizinprodukt iS des § 31 Abs 1 S 2 SGB 5.

2. Das Mittel ist auch nicht als Bestandteil einer bilanzierten Diät zur enteralen Ernährung verordnungsfähig.

3. Die nach § 31 Abs 5 SGB 5 gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung für Nahrungsmittel beruht auf sachgerechten Gründen, ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz zu widersprechen (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R = BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20).

 

Normenkette

SGB V § 31 Abs. 1 Sätze 2, 1, Abs. 5 S. 2, § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 3, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6; AMG § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3 Nr. 1; LFGB § 2 Abs. 2; VO (EG) 178/2002 Art. 2 Abs. 2, Art. 1; EGRL 2001/83 Art. 2 Abs. 1-2, Art. 1; ApBetrO § 1a Abs. 10; MPG § 3 Nr. 1; Arzneimittel-Richtlinie § 19 Abs. 3-4, § 21 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.09.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung des Klägers mit dem Andickungsmittel Thick & Easy streitig.

Der am 29.04.1993 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Der Kläger leidet an einer spastischen Tetraparese, einer neuromuskulären Skoliose sowie einer Speisröhrenmissbildung. Aufgrund der Behinderungen besteht eine massive Kau- und Schluckstörung.

Mit Datum vom 04.10.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 23.09.2011 die Versorgung mit dem Mittel Thick & Easy.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. B. teilte in seinem Gutachten vom 06.10.2011 mit, dass nach den bisherigen Unterlagen und ohne nähere klinische Angaben zum Verlauf eine medizinische Notwendigkeit zum Andicken der Nahrung nicht erkannt werden könne. Darüber hinaus handele es sich bei dem begehrten Produkt um ein Lebensmittel. Es sei daher von der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen. Die Ernährung - auch bei medizinisch sinnvollen speziellen Lebensmittelprodukten - sei Teil der Lebens- und Daseinsfürsorge. Neben handelsfertigen Andickungsmitteln gebe es im Übrigen die Möglichkeit der Andickung durch Stärkeprodukte wie zB Mondamin.

Mit Bescheid vom 13.10.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das Andickungspulver ab. Bei dem Instant-Andickungspulver handele es sich um ein Lebensmittel. Es sei weder apotheken- noch verschreibungspflichtig, sondern frei verkäuflich. Im Übrigen ließen die vorhandenen Unterlagen die medizinische Notwendigkeit zum Andicken der Nahrung nicht erkennen.

Hiergegen legte der Kläger am 15.11.2011 Widerspruch ein. Darüber hinaus wurde ein Attest des behandelnden Hausarztes zur Notwendigkeit der Versorgung des Klägers mit dem Andickungspulver Thick & Easy vorgelegt.

Die Beklagte legte daraufhin die Unterlagen erneut dem MDK zur sozialmedizinischen Begutachtung vor. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 01.12.2011 zu dem Ergebnis, dass es sich bei Thick & Easy um ein Nahrungsergänzungsmittel im leistungsrechtlichen Sinne handele. Dieses sei von der Versorgung ausgeschlossen. Darüber hinaus könne der Kläger auf stärkehaltige Lebensmittel wie Mondamin, Maizena oder das Produkt Dr. Oetker Gustin Fix Speisenanbinder ohne Kochen verwiesen werden. Auch wenn die Notwendigkeit einer Flüssigkeitsandickung zur Erleichterung des Schluckprozesses medizinisch unbestritten sei, dadurch ggfs die Notwendigkeit einer PEG-Anlage entfalle sowie die industriell gefertigten Dickungsmittel geschmacksneutral und vom Patienten ggfs besser toleriert würden, komme aus formaljuristischer Sicht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht in Betracht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2012 lehnte die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers ab. Bei dem Präparat Thick & Easy handele es sich weder um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, ein Medizinprodukt, eine Aminosäuremischung, ein Eiweißhydrolysat, eine Elementardiät noch um Sondennahrung, die als gesetzlich zugelassene Ausnahme in medizinisch notwendigen Fällen verordnungsfähig wäre. Es müsse daher leistungsrechtlich als Nahrungsergänzungsmittel bewertet werden. Da Nahrungsergänzungsmittel von der Versorgung ausgeschlossen seien, bestehe keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte auch bei seltenen und schwerwiegenden Erkrankungen. Hier stellt der Gesetzgeber die Einnahme von nicht apothekenpflichtigen Arzneimittel und Nahr...

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