Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kein Anspruch auf das Nahrungsergänzungsmittel "SpongiCol" bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung. kein Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel. Arzneimittelbegriff. Unterschied zwischen Präsentationsarzneimitteln und Funktionsarzneimitteln. bilanzierte Diät. Verfassungsrecht. Europarecht

 

Leitsatz (amtlich)

Versicherte der GKV, die an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leiden, haben keinen Anspruch auf Versorgung mit SpongiCol.

 

Orientierungssatz

1. Zum Arzneimittelbegriff und der Unterscheidung zwischen sog Präsentationsarzneimitteln und den Funktionsarzneimitteln iSd Art 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (juris: EGRL 83/2001).

2. Die nach § 31 Abs 5 SGB 5 gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Nahrungsmittel beruht auf sachgerechten Gründen, ohne den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu widersprechen (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R = BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20).

3. Nahrungsergänzungsmittel sind vom Gesetzgeber systematisch der Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln zugeordnet, nicht jedoch der Heil- und Hilfsmittelversorgung.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.09.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für SpongiCol, ein Collagen-Lecithin-Granulat.

Der im Jahr 1977 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Der Kläger leidet unter Colitis ulcerosa, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, mit Erstdiagnose im Jahr 2006. Der Kläger nimmt deswegen seit einigen Jahren Phosphatidylcholin (Lecithin) zu sich. Er erhielt das Phosphatidylcholin in einer retardierten Darreichungsform zunächst als Studienpräparat (Sterpur P-30) von der Universitätsklinik H.. Nach Studienende wurde die Herstellung von Sterpur P-30 eingestellt. Inzwischen läuft eine neue Studie mit einem überarbeiteten Präparat namens LT-02, welches der Kläger allerdings nicht mehr einnimmt. Seit Beendigung der Lieferung von Sterpur P-30 führte der Kläger Selbstversuche mit Alternativen durch. Er bezog zunächst magensaftresistente Kapseln mit Lecithin von einer Apotheke. Seit Ende 2012 erwirbt er Kläger SpongiCol, ein Collagen-Lecithin-Granulat. Zusätzlich zu dem Granulat versorgt sich der Kläger mit dem reinen Rohstoff Phosphatidylcholin (Lipoid S 100) und lässt sich aus diesem vom Klinikum K., in dem er arbeitet, Zäpfchen erstellen, die er seither neben dem Granulat einnimmt.

In der Vergangenheit hatte der Kläger von der Beklagten die Kostenübernahme für Lecithin 800 mg als Kapsel oder Granulat sowie Lecithin-Suppositorien als Rezepturarzneimittel verlangt. Diesbezüglich wurden von Beklagten diverse Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) eingeholt. Im Gutachten des Dr. B. vom 15.08.2012 (Bl 23 Verwaltungsakte) wurde dabei ausgeführt, dass keine Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestünde. Lecithin könne als nicht apothekenpflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Wirkstoff nicht zu Lasten der GKV als Rezeptur-Arzneimittel verordnet werden. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs la Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) vor. Es bestehe zwar eine schwere, die Lebensqualität beträchtlich einschränkende Erkrankung, es sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Colitis ulcerosa im Fall des Klägers als in der Regel tödlich verlaufende oder gleichzustellende Krankheit ausgeprägt wäre. Es seien zudem nicht die Möglichkeiten zugelassener Therapien ausgeschöpft. Überdies bestünden keine Wirksamkeitsbelege in Form von methodisch hochwertigen Studien, die einer zulassungsreifen Datenlage entsprächen.

Dennoch wurden von der Beklagten die Kosten für ein Lecithin-Granulat beim Kläger zuletzt bis Ende 2013 übernommen.

Mit Schreiben vom 12.12.2013 (Bl 1 Verwaltungsakte) beantragte der Kläger eine Verlängerung der Kostenübernahme. Er legte eine Arzneimittelverordnung des Internisten Dr. C. über zwölfmal SpongiCol Collagen-Lecithin Granulat 250g vom 18.10.2013 und eine Rechnung einer F. Apotheke vom 23.10.2013, gerichtet an die Zentralapotheke des Klinikum K., über zwölf SpongiCol-Packungen in Höhe von 1.456,95 € vor. Ferner legte er ein Attest des Dr. C. vom 26.02.2014 vor, wonach bei ihm eine Stabilisierung der Colitis unter der Lecithintherapie eingetreten sei. Durch die Normalisierung des Stuhlganges sei eine Arbeit zu den üblichen Arbeitszeiten möglich geworden. Das Beenden der Lecithintherapie würde die Gefahr heraufbeschwören, einen teuren Rückfall zu provozieren.

Im darauf von der Beklagten veranlassten Gutachten des MDK vom 03.06.2014 (Dr. P., Bl 13 Verwaltungsakte) wurde angegeben, dass es sich bei SpongiCol Collagen-Lecithin-Granulat ...

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